Eine Vitrine mit Erinnerungstücken an BER will er in seiner Wohnung nicht aufstellen. Und auch ein Denkmal für Engelbert Lütke Daldrup hat in Berlin noch niemand vorgeschlagen.
Wenn der Flughafenchef Ende des Monats in den Ruhestand geht, wird das ein bescheidener Abgang – so wie die Eröffnung des berühmt-berüchtigten Hauptstadtflughafens BER vor elf Monaten auch.
«Es gab in den vergangenen Jahren Tage, die waren zum verzweifeln», seufzte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller damals bei der Zeremonie – erleichtert, dass der Alptraum vorüber war. An seiner Seite: Lütke Daldrup, den er 2017 nach Schönefeld beordert hatte. Dort wurde er zum «Tatortreiniger», wie sich der scheidende Geschäftsführer im Wochenblatt «Zeit» selbst titulierte.
Denn jahrelang hatten sich Andere an der Baustelle des drittgrößten deutschen Flughafens versucht – mit und ohne Plan, und dabei zuweilen mehr kaputt gemacht als aufgebaut. Als der Chefposten mal wieder vakant wurde, sagten reihenweise Manager ab. Niemand wollte sich die Karriere verderben. So fiel die Wahl auf Müllers rechte Hand im Rathaus.
«Es war eine mühsame, sehr kleinteilige Arbeit», sagt der frühere Beamte. Doch nun funktioniert der Flughafen reibungslos, der «Baukladderadatsch», wie Lütke Daldrup es gern nennt, hat sein Ende gefunden: «Ich bin zufrieden.»
Doch auch Lütke Daldrup hat am BER Lektionen gelernt. Er musste viel Skepsis überwinden, als er nach Jahren in der Verwaltung auf den Managerposten wechselte, mit einer halben Million Euro Jahresgehalt. Dass er den Flughafen schon im Jahr nach seinem Amtsantritt eröffnen können würde, musste der Ingenieur sich schnell abschminken – es dauerte gut zwei Jahre länger.
Auch Lütke Daldrup war überrascht, wie viel noch zu lichten war im Wirrwarr von Rauchklappen, Brandmeldern, Sprinklern und Entrauchungsanlagen. Dabei hatte er im Aufsichtsrat gesessen.
Und er war auch nicht der erste, der die Probleme sorgsam und gründlich lösen wollte. Ex-Technikchef Horst Amann war auch so einer, wie der BER-Untersuchungsausschuss neulich in seinem Abschlussbericht anerkannte. Doch zu seiner Zeit wollte niemand so lange warten.
«Der Flughafen hat mich geduldiger gemacht», sagte Lütke Daldrup der «Berliner Zeitung». Während der Zeit im Rathaus war ihm noch der Spitzname «Drängelbert» angehängt worden. Weil es ihm nie schnell genug gegangen sei.
Was half: Der frühere Staatssekretär weiß mit Parlamenten und Regierungen umzugehen – anders als seine Vorgänger bei dem Staatsbetrieb brachte er die Eigentümervertreter aus Berlin, Brandenburg und dem Bund nicht gegen den Flughafen auf. Der Verwaltungsmann besorgte neben dem Bauen auch die Aktenarbeit, erbrachte Nachweise und Dokumentationen, besorgte Sondergenehmigungen für kreative Bau-Lösungen.
Und er packte die Baufirmen bei der Ehre: Lange verging kein öffentlicher Auftritt, bei dem Lütke Daldrup nicht deutlich die Namen der großen Firmen nannte, die gut verdienten am BER-Fiasko. Teilweise konnte er sie so in neue, strengere Verträge zwingen.
Der Ex-Beamte gefiel sich in der Rolle des Top-Managers. Plötzlich sagte er Worte wie «forecast» und «business case». Bald war er auf der BER-Baustelle mit einer Warnweste unterwegs, auf deren Rücken groß die drei Buchstaben CEO gedruckt waren, Chief Executive Officer.
Doch Lütke Daldrup arbeitete auch daran, das Projekt zu befrieden. Ein paar Wochen vor der Eröffnung lud er die Architekten rund um Meinhard von Gerkan ins Terminal ein – nach der geplatzten Eröffnung 2012 hatte der Aufsichtsrat sie noch vom Hof gejagt. Zuletzt ließ der Flughafen die Nazi-Geschichte des Standorts Schönefeld erforschen.
Worin der gelernte Stadtplaner aufging: der Ausbau des Flughafens und die Planung der Airport City. Doch die neuen Terminals werden möglicherweise erst in ferner Zukunft gebraucht. Corona hat den Luftverkehr einbrechen lassen – Prognose ungewiss. Weitgehend erfolglos blieb unter diesen Bedingungen Lütke Daldrups Werbung für mehr Langstreckenflüge und für ICE-Verbindungen ab Schönefeld.
Verglichen mit Frankfurt und München bleibt der BER damit eher ein großer Regionalflughafen. «Wir glauben, dass Deutschland nicht nur zwei internationale Flughäfen braucht. Ostdeutschland braucht einen eigenen», sagt Lütke Daldrup. Dafür wird nun die Nachfolgerin Aletta von Massenbach weiter werben müssen.
Lütke Daldrup geht ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Vertragsende. Er hat nun mehr Zeit für seine Frau und seinen Dackel. Reisen wolle er, aber nicht mehr so häufig nur mit dem Flugzeug, wie er in Interviews bekennt. Es darf auch mal entspannter vorangehen – mit dem Schiff und mit der Bahn.
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