23. November 2024

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Agrardiesel und Schuldenbremse – was im Haushalt 2024 steckt

Eigentlich wird der Bundeshaushalt im Dezember des Vorjahres beschlossen. Doch diesmal mussten erst Milliardenlöcher gestopft werden. Jetzt soll endlich alles unter Dach und Fach.

Das Jahr hat längst begonnen, doch wofür der Staat gerade wie viel Geld ausgeben darf, ist noch immer nicht offiziell beschlossen. In dieser Woche will der Bundestag das ändern: Die Schlussberatungen für den Etat 2024 stehen an.

Vier Tage lang werden die Budgets für jedes Ministerium noch einmal debattiert, in der traditionellen Generaldebatte wird über die Politik der Bundesregierung gestritten. Danach soll der Haushalt am Freitag verabschiedet werden – ebenso wie ein Gesetz zur Umsetzung von Sparmaßnahmen.

Zum Auftakt warf die Union der Ampel-Koalition am Dienstag vor, zwar vom Sparen zu reden – in Wahrheit aber weiter über die Verhältnisse zu leben. Die Ampel wolle wesentlich mehr Geld ausgeben als vor der Corona-Krise. Finanzminister Christian Lindner verteidigte die Pläne: Die Koalition beweise damit «Gestaltungsehrgeiz», sagte er.

Warum passiert das dieses Mal alles so spät?

Normalerweise segnet der Bundestag den Haushalt im Dezember des Vorjahres ab. Diesmal jedoch durchkreuzte das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts die Pläne: Kurzfristig mussten im Kernhaushalt sowie im Klima- und Transformationsfonds Milliardenlöcher gestopft werden.

SPD, Grüne und FDP rangen wochenlang um Sparmaßnahmen, erst kurz vor Weihnachten gab es eine Grundsatzeinigung – und Mitte Januar die entscheidende Sitzung im Haushaltsausschuss des Bundestags. Seit Jahresbeginn arbeitet die Regierung daher mit einer vorläufigen Haushaltsführung: Vorerst sind nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.

Was sind Kernpunkte des Haushalts?

Nach der entscheidenden Sitzung im Haushaltsausschuss ist der Etat jetzt im Grunde festgezurrt. Vorgesehen sind Ausgaben von 476,8 Milliarden Euro. Das sind rund 5635 Euro pro Einwohner in Deutschland.

Der mit Abstand größte Etat ist erneut der Sozialetat mit Ausgaben von rund 175,6 Milliarden Euro – davon gehen große Teile in die Rentenversicherung, dazu kommen zum Beispiel Ausgaben für das Bürgergeld.

Geplant sind Investitionen von 70,5 Milliarden Euro – zum Beispiel in das Schienennetz und in Straßen. Der Verteidigungsetat liegt bei rund 52 Milliarden Euro, dazu kommen Milliardenmittel aus dem «Sondervermögen» für die Bundeswehr. Die größten Einsparungen verglichen mit dem Vorjahr gibt es im Gesundheitsministerium, weil viele Corona-Ausgaben wegfallen.

Hält die Schuldenbremse?

Das lässt sich noch nicht ganz sicher sagen. Vorgesehen sind zunächst neue Kredite in Höhe von rund 39 Milliarden Euro. Damit würde die Schuldenbremse nach jahrelangen Ausnahmen wieder voll greifen. Die Bundesregierung hatte zunächst geprüft, ob für 2,7 Milliarden Euro an Fluthilfen nach der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal erneut die Ausnahmeregel gezogen werden sollte. Das Geld kommt nun aber aus Überschüssen des Etats 2023.

Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt aber der Ukraine-Krieg. Was passiert, wenn Deutschland seine Hilfe für die Ukraine nochmals stark erhöhen muss – weil die Entwicklung an der Front oder der Rückzug anderer Staaten aus der Unterstützerallianz dies erfordern? Die Ampel-Koalition behält sich vor, dann doch eine «außergewöhnliche Notsituation» geltend zu machen und die Schuldenbremse auszusetzen.

Was ist die umstrittenste Kürzung?

Die Koalition will Steuerbegünstigungen für Landwirte beim Agrardiesel schrittweise abschaffen. Das hat für eine Protestwelle von Bauern gesorgt, die mit ihren Traktoren bis nach Berlin zogen. Der Bundesrat muss der Kürzung nicht zustimmen, könnte noch am Freitag aber Einspruch einlegen und den Vermittlungsausschuss anrufen.

Warum wird Fliegen teurer?

Fluggäste müssen sich ab Mai auf höhere Ticketpreise einstellen. Die Koalition will die Ticketsteuer, die für alle Passagiere anfällt, die von deutschen Flughäfen abheben. Ab Mai beträgt sie je nach Flugdistanz dann 15,53 bis 70,83 Euro pro Fluggast. Zahlen müssen die Aufschläge zwar die Fluggesellschaften, sie können diese aber an die Passagiere weitergeben. Die Bundesregierung erwartet Steuermehreinnahmen von rund 400 Millionen Euro.

Was passiert beim Bürgergeld?

Jobcenter sollen Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate streichen dürfen, wenn die Betroffenen zumutbare Jobs immer wieder verweigern. Das soll den Haushaltstitel für Bürgergeld um 150 Millionen Euro entlasten. Verbesserungen bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vor allem aus der Ukraine durch einen «Jobturbo» sollen zu geringeren Ausgaben in Höhe von 500 Millionen Euro führen.

Wo gibt es weitere Kürzungen?

Bereits im vergangenen Jahr ist die Förderung für Elektroautos ausgelaufen, deutlich früher als zunächst geplant. Gestrichen wird außerdem ein Förderprogramm für Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen, gespart bei der Entwicklungszusammenarbeit.

Warum gibt es mehr Geld für den Bau?

Ein Förderprogramm mit Volumen von einer Milliarde Euro soll den Bau kleiner und bezahlbarer Wohnungen unterstützen, wie sie etwa Alleinerziehende und Senioren benötigen. Das Programm ist bis 2034 gestreckt. Die Förderung soll in Form einer Zinsverbilligung erfolgen. Die Mieten sollen im unteren Drittel des Mietspiegels liegen. Der Bausektor steckt unter anderem wegen gestiegener Zinsen in der Krise.

Wie geht es weiter?

Nach den Haushaltsverhandlungen ist vor den Haushaltsverhandlungen: Es laufen bereits Gespräche für den Etat 2025. Für die Koalition dürfte es wieder nicht einfach werden, denn allein im Kernhaushalt klafft erneut eine Lücke im unteren zweistelligen Milliardenbereich.

Umstritten ist auch, ob und wann die Koalition ihr Versprechen wahr macht, ein Klimageld einzuführen. Damit sollte eigentlich die Mehrbelastung durch einen steigenden CO2-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien ausgeglichen werden. Jeder Bürger sollte Geld vom Staat zurückbekommen. Doch das würde Milliarden kosten.

Von Andreas Hoenig und Theresa Münch, dpa