Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dringt bei dem in der Koalition umstrittenen Heizungsgesetz aufs Tempo. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, der Kanzler habe die Erwartung, «dass der Bundestag mit der nötigen Gründlichkeit, aber auch Schnelligkeit den Gesetzentwurf jetzt diskutiert». Hebestreit reagierte damit auf Fragen nach FDP-Forderungen einer Verschiebung der Gesetzespläne, die eigentlich zum 1. Januar 2024 in Kraft treten sollen.
Der Kanzler habe seine Zuversicht ausgedrückt, dass die Kernbestandteile des Gebäudeenergiegesetzes auch verabschiedet werden, sagte der Regierungssprecher weiter. «Und ein Kernbestandteil ist auch eine gewisse zeitliche Nähe, in der es in Kraft treten soll.» Große Verschiebungen seien nicht zu befürchten. Auch SPD und Grüne fordern einen Beschluss noch vor der Sommerpause.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dämpfte dagegen die Hoffnungen auf eine zeitnahe Einigung: «Wir sind weiterhin der Auffassung, dass dieses Gesetz enorme Defizite hat.» Dieses Gesetz sei ineffizient im Hinblick auf den Klimaschutz und verunsichere die Menschen.
«Wenn man sich anschaut, was jetzt auf dem Tisch liegt, dann ist das eine so große Baustelle, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass wir in dieser Sitzungswoche, geschweige denn vor der Sommerpause, ein Ergebnis erzielen können», sagte er. Der aktuelle Gesetzentwurf überfordere die Menschen wirtschaftlich und finanziell. Kosmetische Veränderungen werden aus Sicht von Djir-Sarai nichts bringen. «Das Gesetz muss insgesamt verändert werden, und das ist nach wie vor unser Ziel.»
Mützenich genervt von Koalitionspartner FDP
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte das aus seiner Sicht bremsende Verhalten des Koalitionspartners FDP: «Das bedauere ich, und das nervt mich auch», sagte er im ARD-«Morgenmagazin». Es bringe stundenlange Diskussionen nicht nur zwischen den Fachabgeordneten mit sich, «sondern es nervt auch die Fraktionsspitzen».
Die Koalition wollte den Gesetzentwurf zu den Plänen zum Austausch alter Öl- und Gasheizungen ursprünglich in dieser Woche im Bundestag einbringen. Die Freidemokraten jedoch verzögern den Prozess und begründen dies mit den Personalverwerfungen im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne), die aus Sicht der Liberalen die Beratungen über das Gesetz erschweren.
Mützenich sagte, die FDP habe nun 24 Stunden Zeit, der ersten Lesung des Gesetzes zuzustimmen. Hintergrund dieser Aussage ist, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen sich an diesem Dienstag über die Tagesordnung im Bundestag verständigen wollten. Mützenich forderte zudem, die FDP müsse in der Lage sein, auch zu belastbaren Beratungen im Deutschen Bundestag zu kommen: «Das kann man nicht außerparlamentarisch machen. Wir sind in einer Koalition.»
Erinnerung an die Abmachung in der Koalition
Habeck erinnerte daran, dass die Ampel-Partner im Koalitionsausschuss Ende März vereinbart hätten, das Gebäudeenergiegesetz noch vor der Sommerpause im Bundestag zu beschließen. Der Regierungsentwurf sei zudem im Kabinett mit Zustimmung auch der FDP-geführten Ministerien verabschiedet worden. «Wenn sich die politischen Führungen ihres Wortes erinnern, also wissen, was sie unterschrieben haben und auch vertragstreu sein wollen und wissen, wie viel daran schon gearbeitet wurde, dann bleibt im Grunde nur noch die Frage zu klären: Was kann denn noch besser gemacht werden, wo kann Gutes noch besser gemacht werden?»
Nach dem vom Bundeskabinett bereits beschlossenen Gesetzentwurf soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben werden. Das soll für alle Eigentümer bis zum Alter von 80 Jahren gelten. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter betrieben, kaputte repariert werden. Der Umstieg soll laut Wirtschaftsministerium durch Förderung sozial abgefedert werden – die Details sind umstritten. Das Gesetz gilt als wichtiger Baustein des Vorhabens, Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen.
FDP: «ein handwerklich schlechtes Gesetz»
FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer sagte, Teile der SPD wollten scheinbar «ein handwerklich schlechtes Gesetz» schnell durch das Parlament bringen, um davon abzulenken, dass sie in der Vergangenheit selbst zu wenig getan habe. «Es ist Interesse von allen in dieser Koalition, ein gutes Gesetz auf den Weg zu bringen, das Menschen und Betriebe nicht überfordert – auch wenn das etwas länger dauert.»
Der Deutsche Verband für Wohnungswesen und Städtebau befürwortet einen weniger ambitionierten Zeitplan. «Wir plädieren dafür, jetzt den Druck rauszunehmen», sagte Verbandspräsident Mike Groschek, der Zeitung «Neue Westfälische». «Das 65-Prozent-Ziel kann nicht sozial verträglich ab 2024 realisiert werden. Es sollte in unseren Augen frühestens 2025 kommen.» Groschek war in Nordrhein-Westfalen einige Jahre lang Bauminister und zeitweise Vorsitzender der Landes-SPD.
SPD-Co-Chefin Saskia Esken sprach sich gegen eine Verzögerung aus. «Wenn wir klimaneutral werden wollen, und das müssen wir ja, dann muss die Wärmewende jetzt eingeleitet werden, auch ambitioniert eingeleitet werden», sagte Esken dem Sender Phoenix.
Die AfD lehnt das Gesetz grundsätzlich ab. Die Wärmewende sei ein «nie da gewesener Enteignungs- und Verarmungsfeldzug gegen die deutschen Bürger, insbesondere die Mittelschicht», sagte Fraktionschefin Alice Weidel.
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