Die Arbeitgeber haben der Bundesregierung wegen der geplanten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns schwere Vorwürfe gemacht.
In einer Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Gesetzesentwurf heißt es, die angestrebte Anhebung des Mindestlohns greife tief in die tarifautonome Lohnfindung in Deutschland ein.
Das Ergebnis eines juristischen Gutachtens im Auftrag der BDA soll in zwei Wochen vorliegen, wie es am Donnerstag in Arbeitgeberkreisen hieß. Es solle Argumente für mögliche Klagen etwa von Betrieben liefern. Gewarnt wurde außerdem vor einer Verlagerung von Jobs ins Ausland.
«Prinzip Brechstange»
Mit Blick auf Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) war in den Arbeitgeberkreisen von einem «Prinzip Brechstange» die Rede: «Staatslöhne sind keine Tariflöhne.» Der Gesetzentwurf Heils sei ein Vertrauensbruch gegenüber der Mindestlohnkommission.
Diese ist überwiegend mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften besetzt. Seit der Einführung der Lohnuntergrenze 2015 von 8,50 Euro je Stunde hatte die Kommission die Erhöhungsschritte vorgegeben.
Die Ampel-Regierung plant, dass der Mindestlohn «einmalig per Gesetz» zum 1. Oktober auf 12 Euro steigt. Davon sollen 6,2 Millionen Beschäftigte profitieren, wie aus einem Referentenentwurf von Heils Ministerium hervorgeht. Derzeit liegt die Lohnuntergrenze bei 9,82 Euro. Zum 1. Juli gibt es eine weitere turnusgemäße Erhöhung auf 10,45 Euro. Über künftige Anpassungen soll laut Entwurf die Mindestlohnkommission entscheiden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die 12 Euro als Kernversprechen ins Zentrum seines Wahlkampfs für mehr Respekt in der Gesellschaft gerückt. Wie der Personaldienstleister Randstad am Donnerstag unter Berufung auf eine Umfrage mitteilte, bringt eine Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro den Beschäftigten in der Dienstleistungsbranche am meisten. Demnach würden bei den Dienstleistungsunternehmen 20 Prozent der Gesamtbelegschaft ab Oktober mehr Geld bekommen. Im Handel profitierten 10 Prozent und in der Industrie 7 Prozent. Das Münchner Ifo-Institut hatte im Auftrag von Randstad rund 1000 Personalchefs befragt.
«Verfassungsrechtlich problematisch»
In der BDA-Stellungnahme zum Gesetzesentwurf heißt es, bestehende Tarifverträge dürften während ihrer Laufzeit nicht durch die gesetzliche Anhebung verdrängt werden: «Ein Eingriff in laufende Tarifverträge ist vor dem Hintergrund der Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie, deren Stärkung laut Koalitionsvertrag gerade erklärtes Ziel der Regierungsparteien ist, verfassungsrechtlich problematisch.» Zum Schutz der Tarifautonomie wäre daher eine Übergangsregelung für bestehende Tarifverträge notwendig.
Mit der geplanten Erhöhung werde der gesetzliche Mindestlohn innerhalb eines Jahres um 22 Prozent steigen, heißt es in der BDA-Stellungnahme. «Das bedeutet eine Anhebung, die weit über die üblichen Tariflohnabschlüsse hinausgeht.» Die kurzfristige Anhebung zum 1. Oktober wäre für viele Unternehmen und Tarifverträge ein «schwerer Schlag». Laut einer Auswertung des Statistischen Bundesamts würde in der zweiten Jahreshälfte 2022 in mindestens 125 Tarifverträge eingegriffen. Betroffen wären dabei auch Tariflöhne, die das Bundesarbeitsministerium selbst für allgemeinverbindlich erklärt habe, wie die des regionalen Friseurhandwerks und des Wach- und Sicherheitsgewerbes.
Ähnliche Beiträge
Aktivität in Chinas produzierendem Gewerbe weiter rückläufig
Italien erwartet 6,5 Millionen Urlauber aus Deutschland
Die Bahn braucht Milliarden – Wo soll das Geld herkommen?