Die deutsche Industrie stellt sich auf ein weiteres schwieriges Jahr ein und fordert deutliche Reformen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Zum Auftakt der Hannover Messe am Montag sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, die bisher von der Bundesregierung eingeleiteten Reformen wie das Wachstumsförderungsgesetz und beim Bürokratieabbau reichten bei Weitem nicht aus, um den Industriestandort zukunftsfest zu machen.
In diesem Jahr werde die deutsche Industrieproduktion erneut zurückgehen, nach Schätzung des BDI um Vergleich zu 2023 um 1,5 Prozent. «Trotz moderater Erholungsaussichten dürfen wir uns nichts vormachen: Insgesamt zeigen die Produktionszahlen schon seit Jahren einen besorgniserregenden Abwärtstrend», sagte Russwurm.
Im Mittelpunkt der weltgrößten Industrieschau stehen in diesem Jahr der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Wasserstoff als Energieträger. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zum Messeauftakt: «Was man hier spürt, ist Innovation, Lust, neue Dinge zu entwickeln. Das gilt insbesondere für die ganz große Aufgabe, wie kriegen wir das hin, mit den Herausforderungen der Digitalisierung umzugehen und die Chancen zu nutzen.» KI sei heute selbst in kleinsten Produkten schon zu finden. Das helfe auch, weniger Ressourcen zu verbrauchen. Der Ministerpräsident des Messe-Partnerlandes Norwegen, Jonas Gahr Støre, zeigte sich ebenfalls beeindruckt: «Viele der Dinge, die wir heute gesehen haben, wären bei einer Einführung vor fünf Jahren noch Science Fiction gewesen.»
Rund 4000 Aussteller aus 60 Ländern
Von der Industrie bekam Scholz erneut Forderungen mit auf den Weg durch die Messehallen. BDI-Präsident Russwurm sagte, «was die Bundesregierung bisher getan hat, ist aller Ehren wert. Aber es reicht halt nicht.» So lasse sich der Rückgang der Industrieproduktion, der seit Jahren zu beobachten sei, nicht stoppen. «Wir brauchen wettbewerbsfähige und langfristig planbare Energiepreise», forderte Russwurm erneut. Zudem müssten die Unternehmenssteuern gesenkt werden. «Die aktuelle Belastung von knapp 30 Prozent ist ein ernst zu nehmender negativer Standortfaktor.»
Auch der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Karl Haeusgen, forderte mehr Tempo in der Wirtschaftspolitik. Die Industriestandorte Deutschland und Europa bräuchten keine Untergangsdebatten, sondern mutige Reformen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. «Neue Investitionsvorhaben finden aktuell vor allem im Ausland statt, etwa in den USA. Das wird, wenn wir dem nichts entgegensetzen, zu einer anhaltenden Schwächung unserer Wirtschaft führen», sagte Haeusgen. «In der aktuellen Wirtschaftspolitik fehlt jedoch die Leidenschaft zur Freiheit.»
Rund 4000 Aussteller aus 60 Ländern präsentieren sich auf der Hannover Messe. Leitthemen sind die Entwicklung einer klimaschonenderen Produktion und Lösungen für die Energiewende. 2023 waren 130.000 Besucher zu der Messe gekommen, deutlich weniger als vor der Corona-Pandemie. So waren 2019 noch 215.000 Besucher gezählt worden. Im Jahr 2020 war die Ausstellung coronabedingt erstmals seit der Gründung 1947 ausgefallen. 2021 fand sie nur digital statt.
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