Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert einen sozialen Ausgleich für Arme, wenn Lebensmittel zum Schutz der Umwelt und bäuerlicher Betriebe teurer werden sollten – so wie von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gefordert.
Der Geschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, sagte in der «Welt» mit Blick auf Sozialhilfeempfänger, entsprechende Preissteigerungen müssten «zwingend mit einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze einhergehen. Man kann Ökologisches und Soziales nicht trennen. Es geht nur ökosozial, sonst verliert man die Unterstützung der Bevölkerung.»
Özdemir von den Grünen hatte zuvor Dumpingpreise für Lebensmittel und Agrarprodukte angeprangert. «Es darf keine Ramschpreise für Lebensmittel mehr geben. Sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima. Das will ich ändern», sagte er der «Bild am Sonntag».
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, warnte: «Ein ökologischer Umbau der Gesellschaft wird nur funktionieren, wenn man ihn sozial angeht, sonst bleibt er ein Projekt ausschließlich für Gutverdiener.» Er verwies auf einen aktuellen Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, wonach im vergangenen Jahr etwa 13,4 Millionen Menschen in Deutschland unter der Armutsgrenze lebten. «Offenbar hat Cem Özdemir diese Menschen vergessen, wenn er von der Erhöhung der Lebensmittelpreise redet, ohne dabei deren Situation mitzudenken. Es braucht höhere Löhne und höhere Sozialleistungen, damit sich Menschen mit niedrigem Einkommen gute Lebensmittel überhaupt erst leisten können.»
Dazu, ob ein sozialer Ausgleich geplant sei und wie er aussehen könnte, gab es von der Bundesregierung am Montag wenig Details. Eine Sprecherin des Ministeriums für Arbeit und Soziales verwies auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bürgergeld, das an die Stelle von Hartz IV treten soll. Schon heute flössen in die Neuberechnung der Grundsicherung auch Preissteigerungen bei Lebensmitteln ein.
Auch die Union verlangte, das Soziale im Auge zu behalten. «Wir werden jedenfalls sehr genau auf die sozialen Auswirkungen achten, denn nicht jeder kann sich Bio-Produkte leisten», sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Steffen Bilger (CDU) der «Welt». Der CDU-Politiker verwies auch auf einen möglichen Import günstigerer Lebensmittel aus dem Ausland.
Fragen zu den Auswirkungen höherer Preise von in Deutschland erzeugten Lebensmitteln für Im- und Export ließ das Bundeslandwirtschaftsministerium unbeantwortet. Bäuerinnen und Bauern in Deutschland brauchten bessere Preise, um bestehen zu können, sagte ein Sprecher. Vor allem Tierhalter benötigten eine bessere Perspektive. Er betonte zudem: «Es geht nicht darum, staatlich den Kilopreis von Fleisch oder vielleicht den Preis von einem Bund Möhren festzulegen.»
Der Handelsverband HDE betonte: «Wenn der Gesetzgeber aus Gründen des Tierschutzes die Haltungsbedingungen auf den Höfen verbessern will, steht es ihm frei, mit gesetzlichen Maßnahmen direkt bei den für die Tierhaltung verantwortlichen Erzeugern anzusetzen. Der Handel hat ein sehr großes Interesse an der heimischen Landwirtschaft und wird noch stärker auf Regionalität und Herkunft setzen.»
Özdemir hatte der «Bild am Sonntag gesagt: «Klar: Lebensmittel dürfen kein Luxusgut werden. Doch der Preis muss die ökologische Wahrheit stärker ausdrücken. Es gibt drei wichtige Ziele: ein sicheres und gutes Einkommen für unsere Bauern, gesundes Essen für uns alle sowie mehr Tierwohl, Klima- und Umweltschutz.»
Zuspruch erhielt Özdemir vom Deutschen Tierschutzbund. «Ramschpreise verhindern ein Mehr an Tierschutz», betonte Präsident Thomas Schröder. Tierbestände müssten reduziert und das Angebot an pflanzlichen Alternativen weiter ausgebaut werden. «Man kann den Menschen ihre Ernährungsweise nicht diktieren, aber es gibt auch kein Recht auf das tägliche Stück Billigfleisch auf dem Teller. Tiere haben einen Wert, nicht nur einen Preis.»
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