Von Frankfurt nach Paris, von München nach Wien, von Berlin nach Prag oder von Hamburg nach Kopenhagen: In die Hauptstädte vieler Nachbarländer reist es sich von Deutschland aus mit der Bahn sehr bequem. Mehr als 21 Millionen Menschen fuhren im vergangenen Jahr mit Zug über die Grenze, wie die Deutsche Bahn mitteilt – so viele wie noch nie. Der Anteil der Auslandsreisen am gesamten Fernverkehr des Konzerns, gemessen an den Fahrgastzahlen, stieg von 2019 bis 2022 um 3 Prozentpunkte auf 16 Prozent.
«Der internationale Fernverkehr ist damit nicht nur zentral für die Deutsche Bahn, der starke Zuspruch steht auch für das Zusammenwachsen Europas auf der Schiene», teilte Bahnchef Richard Lutz mit. Von Deutschland aus seien inzwischen rund 200 Ziele im europäischen Ausland direkt erreichbar. Das Angebot werde immer besser.
Gleichwohl stellen Fachleute dem transeuropäischen Bahnverkehr weiterhin kein gutes Zeugnis aus. «Von Deutschland nach Paris kommen sie sehr gut», sagt etwa Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn. «Aber fahren sie mal von Deutschland nach Bordeaux, da sieht es dann schon ganz anders aus. Da wird es dann auch teuer, weil sie Fahrkarten zusammenstückeln müssen.»
Die Bahn weist das zurück und darauf hin, dass inzwischen Fahrkarten nach und von Frankreich sowie für innerfranzösische Verbindungen inklusive Thalys und Eurostar über die Bahnportale gebucht werden könnten.
Aber das gilt nicht für alle Verbindungen in andere Länder. «Es gibt Auslandsverbindungen, wo man immer noch für die entsprechenden Teilstrecken Tickets auf verschiedenen Plattformen kaufen muss», teilt der Interessenverband Allianz pro Schiene auf Anfrage mit. «Hier ist es dringend erforderlich, ein Portal zu schaffen, auf dem ein Ticket für die gesamte Reisestrecke gebucht werden kann.»
Nationale Fahrpläne nicht aufeinander abgestimmt
Erheblichen Nachholbedarf gibt es auch beim Bahnangebot über mehrere europäische Ländergrenzen hinweg. Wer etwa von Deutschland über Frankreich weiter nach Spanien und Portugal oder nach Osteuropa reisen will, muss dafür mehrere Reisetage und stundenlange Wartezeiten an manchen Bahnhöfen einkalkulieren. Denn die jeweiligen nationalen Fahrpläne sind nicht aufeinander abgestimmt.
«Deutschland ist das einzige Land in der EU ohne bundesweiten Aufgabenträger», teilt der bahnpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Matthias Gastel, auf Anfrage mit. «Dieser könnte die besseren internationalen Zugangebote koordinieren und im Zweifel auch mitfinanzieren.»
Großer Sanierungsbedarf in Deutschland
Ein weiteres Hindernis für einen reibungslosen Bahnverkehr durch ganz Europa bleibt die Infrastruktur. In Deutschland etwa ist der Sanierungsbedarf groß. Zahlreiche Baustellen auf dem an vielen Stellen maroden Netz bremsen den Verkehr aus und sorgen für eine hohe Unpünktlichkeit.
Zudem fehlt es an vielen Grenzübergängen an Oberleitungen. «Aktuell sind lediglich 27 von 56 Grenzübergängen in Europa elektrifiziert», heißt es bei der Allianz pro Schiene. «Das bedeutet unnötige Einschränkungen für die Züge des Fernverkehrs, die ausschließlich elektrisch unterwegs sind.»
Die Experten sind sich einig, dass mehr Nachtzüge das Bahnangebot ins Ausland weiter verbessern könnten. Vorreiter ist hier die Österreichische Bundesbahn, die mit neuen und komfortablen Schlafwagen von Deutschland aus vor allem in Richtung Italien und Schweiz fährt. In Richtung Norden bieten zwei schwedische Bahnen von Berlin aus Nachtzugfahrten an. Doch das Angebot auszubauen, sei nicht leicht, sagt der Grünen-Abgeordnete Gastel. Derzeit gebe es viele Probleme bei der Zulassung von Wagenmaterial.
«Deswegen wäre unser Wunsch eigentlich, dass man aus den Österreichern eine europäische Nachtzuggesellschaft macht», sagt Naumann von Pro Bahn. Diese könne die Angebote dann koordinieren und einheitliche neue Wagen bestellen.
Es bleibt viel zu tun mit Blick auf das Zugangebot in Europa. Die Allianz pro Schiene ist indes zuversichtlich, dass mit der steigenden Nachfrage auch das Angebot nachziehen werde. «Zugreisen werden einfacher und komfortabler – es ist also zu erwarten, dass die Nutzerzahlen auch künftig steigen», teilt der Verband mit.
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