Vier Warnstreiks, vier Streiks, Tausende ausgefallene Züge, Millionen betroffene Fahrgäste: Rund ein Jahr lang hielten nacheinander zwei Tarifkonflikte bei der Bahn Kunden und den Konzern in Atem – erst mit der Gewerkschaft EVG und zuletzt mit der GDL. Nun gibt es auch mit ihr einen Abschluss.
Das monatelange Ringen zwischen Bahn-Personalvorstand Martin Seiler und GDL-Chef Claus Weselsky hat ein Ende. Beide Seiten traten am Dienstag getrennt vor die Kameras und Mikrofone, um den Kompromiss vorzustellen. «Allein das spricht Bände», sagte Weselsky. Für ihn war es die letzte Tarifrunde vor seiner Rente.
Keine weiteren Streiks
Für rund ein Jahr haben Fahrgäste nun vor weiteren Arbeitskämpfen bei der Bahn Ruhe. Ende März 2025 läuft der Tarifvertrag mit der größeren EVG aus. Warnstreiks sind ab diesem Zeitpunkt wieder möglich. Mit der GDL muss die Bahn hingegen erst 2026 wieder an den Verhandlungstisch. Der am Dienstag beschlossene Vertrag sieht eine Friedenspflicht bis einschließlich Februar 2026 vor.
Claus Weselsky, der fast 16 Jahre lang das Gesicht der Lokführergewerkschaft war, wird die Verhandlungen nicht mehr führen. Er plant, in diesem Jahr in Rente zu gehen. Sein designierter Nachfolger heißt Mario Reiß. Ob er die Tarifverhandlungen mit der Bahn mit der gleichen Heftigkeit führen wird wie sein Vorgänger, ist unklar.
Harte «Fights»
Trotz seiner langjährigen Erfahrung war es für Weselsky eigenen Worten zufolge die härteste aller Tarifrunden. «Es sind bis zum Schluss harte Fights um jede einzelne Regelung gewesen.» Das habe vor allem auch an den eigenen Forderungen gelegen, räumte er ein. Er meint damit vor allem die Kernforderung nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden. Diese wird nun in Form eines Wahlmodells stufenweise bis 2029 eingeführt.
Für die insgesamt sechs Arbeitskämpfe der GDL im Tarifstreit machte Weselsky hingegen die Bahn verantwortlich. «Es ist die Arbeitgeberseite gewesen, die diese Auseinandersetzung so lang gezogen hat und die sie so provokant gefahren hat.»
Die Regelungen im Einzelnen
Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter: Die Absenkung kommt stufenweise und in Form eines Wahlmodells. Die erste Verringerung um eine Stunde folgt ab 2026 automatisch, sollten die Beschäftigten nicht widersprechen. Anfang 2027 gibt es eine optionale Reduzierung auf 36 Stunden, ab 2028 auf 35,5 Stunden und ab 2029 dann 35 Stunden. Dabei können die Beschäftigten entscheiden, ob sie die jeweiligen Stufen mitgehen, bei ihrer bisherigen Arbeitszeit bleiben oder mehr arbeiten wollen. Wenn sie weniger arbeiten, folgen daraus keine Gehalts- oder Lohneinbußen. Wenn sie bei ihrer bisherigen Arbeitszeit bleiben oder auf bis zu 40 Stunden erhöhen, erhalten sie für jede nichtreduzierte beziehungsweise zusätzliche Arbeitsstunde 2,7 Prozent mehr Geld.
Entgelt: Alle Beschäftigten mit gültigem GDL-Tarifvertrag erhalten in zwei Stufen 420 Euro mehr im Monat. Die erste Erhöhung von 210 Euro pro Monat kommt im August dieses Jahres. Die zweite Stufe in selber Höhe gibt es im April 2025. Hinzu kommt eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie, die ebenfalls in zwei Schritten gezahlt wird. 1500 Euro sollen noch im März ausgezahlt werden. Weitere 1350 Euro gibt es Mai.
Laufzeit: Der Tarifvertrag läuft 26 Monate, rückwirkend vom 1. November 2023 bis Ende Dezember 2025. Danach soll es eine zweimonatige Verhandlungsphase mit Friedenspflicht geben. Zudem sollen dabei Modalitäten für eine mögliche Schlichtungsvereinbarung besprochen werden – für den Fall, dass die Gespräche erneut scheitern.
Keine Tarifverträge für Beschäftigte der Infrastruktur: Damit ist die GDL bei einer Kernforderung gescheitert, für weitere Berufsgruppen bei der Bahn Tarifverträge abzuschließen.
In den vergangenen Monaten hatte die GDL bereits mit 29 weiteren Unternehmen einen Tarifabschluss getroffen, der eine weitergehende 35-Stunden-Regelung vorsah. Diese Verträge wird die Gewerkschaft nun nach und nach an den Bahn-Kompromiss anpassen.
Auseinandersetzung ums TEG
Für die Fahrgäste ist der Tarifstreit damit vorbei, doch versöhnlich gab sich Weselsky am Dienstag nicht. «Die Auseinandersetzung mit der Deutschen Bahn AG ist noch lange nicht zu Ende», betonte er. Die Gewerkschaft werde sich weiter gegen das Tarifeinheitsgesetz wehren. Dieses sieht vor, dass in einem Unternehmen mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung zur Anwendung kommt.
Die juristischen Auseinandersetzungen laufen weiter. Diese drehen sich derzeit vor allem um die Zählweise, mit der festgestellt werden soll, welche Gewerkschaft in welchem Betrieb die Mehrheit hat. Bisher wendet die Bahn die GDL-Tarifverträge in 18 von rund 300 Konzernbetrieben an. «Das bedeutet für Zehntausende Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, dass sie die mit uns gemeinsam erkämpften Tarifverbesserungen nicht erhalten sollen», sagte Weselsky. Gerichte sollen nun klären, wie gezählt wird und wie die Mehrheitsverhältnisse tatsächlich sind. Auswirkungen auf den Bahnverkehr hat dieser Rechtsstreit nicht.
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