Acht Bahnverbände haben einen Forderungskatalog für die nächste Regierungskoalition vorgestellt. Sie wollen die Schiene stärken und fordern mehr Investitionen.
Auch wenn der Schienenverkehr in Deutschland aufgrund der Corona-Krise viele Fahrgäste eingebüßt hat: Über zu wenig Aufmerksamkeit und auch Geld konnten sich die Unternehmen, allen voran die Deutsche Bahn, in den vergangenen zwei Jahren nicht beschweren.
Sie nimmt einen prominenten Platz im aktuellen Koalitionsvertrag ein, der neben einer Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 auch eine deutliche Erhöhung des Schienenanteils am Güterverkehr auf 25 Prozent vorsieht. Master- und Finanzpläne wurden aufgelegt, um das marode Schienennetz zu modernisieren, Baustellenzeiten zu verkürzen und das Angebot auf der Schiene deutlich zu verbessern.
«Ganz wesentlich ist, dass wir einen langen Atem haben», sagte Ingo Wortmann, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). «Wenn wir tatsächlich die Klimaziele erreichen wollen, die wir erreichen müssen, dann müssen wir jetzt die Schiene weiter stärken.»
In den Forderungen geht nicht nur um mehr Geld, sondern auch um die politischen Prioritäten, vor allem in der Corona-Krise: «Die nächste Bundesregierung muss der klimaschonenden Schiene Vorfahrt vor anderen Verkehrsträgern geben», sagte Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene. Die Verbände fordern, dass rund zwei Drittel des jährlichen Etats für die Verkehrsinfrastruktur dem Bahnverkehr zugute kommen muss.
«Eine unserer Kernforderungen ist ein Infrastrukturfonds, der die Finanzierungslinie des Bundes langfristig festschreibt», sagte Peter Westenberger, Hauptgeschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE), in dem vor allem die Güterbahn-Konkurrenten der Deutschen Bahn organisiert sind. Der Fonds müsse sich auch aus Einnahmen der Lastwagen-Maut speisen. «Wir brauchen eine Verkehrspolitik, die verkehrsträgerübergreifend denkt», betonte Flege von der Allianz pro Schiene.
Die Verbände fordern zudem, die jährlichen Investitionen für den Neubau von Schienenwegen bis zur Mitte der kommenden Legislaturperiode von derzeit 1,6 auf dann 3 Milliarden Euro zu erhöhen. Zwar sei mit der aktuellen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung genug Geld für die Sanierung bestehender Strecken vorhanden. Neue Gleise könnten damit aber nicht finanziert werden. «Seit Jahren werden kaum neue Schienenstrecken fertig gestellt, obwohl der Verkehr stark gewachsen ist», kritisierte Westenberger.
Es brauche außerdem konkrete Zwischenschritte auf dem Weg zum sogenannten Deutschlandtakt, der den Fern-, Regional-, und Güterverkehr besser aufeinander abstimmen und für ein dichteres Angebot für Fahrgäste sorgen soll: «Für jede einzelne Etappe muss der Bund den nötigen Infrastrukturausbau finanziell absichern», heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Branchenverbände. Bis zum Jahr 2035 solle weiterhin das gesamte Bundesschienennetz digitalisiert sein. Dazu gehöre auch ein verbessertes Angebot für die Kunden wie etwa digitale Fahrpläne in Echtzeit sowie Informationen zu Auslastungen.
«Wir begrüßen und unterstützen die Impulse der Verbände», teilte eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Anfrage mit. Untätig war der bundeseigene Konzern bei diesen Themen nicht: Erst im September kündigte die Bahn gemeinsam mit dem Eisenbahn-Bundesamt und dem Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) an, bis 2035 sämtliche Stellwerke digital umzurüsten. Erstmals förderte der Bund zudem kürzlich die Ausrüstung von Zügen mit Technik für das europäische Zugleitsystem ETCS am Verkehrsknotenpunkt Stuttgart 21.
In vielen Punkten sei Deutschland schon gut vorangekommen, loben auch die Bahnverbände. Nun gehe es um die Umsetzung dieser Pläne. Wie viel Spielraum die nächste Bundesregierung angesichts der hohen Corona-Kosten dafür haben wird, bleibt indes ungewiss. Und auch die Deutsche Bahn muss neben den zahlreichen Investitionen ihre Finanzen in den Griff kriegen. Bis 2024 erwartet der bundeseigene Konzern einen Corona-Schaden von rund zehn Milliarden Euro.
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