Kurz vor einer Protestwoche der Agrarbranche hat der Bauernverband die Teilnehmer zur Mäßigung aufgerufen. Es dürfe keine Aktionen vor Privatwohnungen von Gesprächspartnern – also Politikern – oder persönliche Anfeindungen geben, appellierte der Verband. «Demo-Symbolik wie Galgen, schwarze Fahnen oder andere Symbole extremistischer Gruppen lehnen wir entschieden ab!» Die Bundesregierung machte deutlich, am Agrarkompromiss festhalten zu wollen.
Ab Montag planen Bauern zahlreiche Aktionen, um gegen die Agrarpolitik zu demonstrieren. Geplant sind etwa Traktorkonvois, Blockaden und Kundgebungen. Am Donnerstag war eine Protestaktion in Schleswig-Holstein eskaliert: Dort blockierten Demonstranten an der Nordseeküste eine Fähre und hinderten Wirtschaftsminister Robert Habeck am Aussteigen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Auch viele Politiker fordern nach dem Vorfall, dass sich Demonstranten an Recht und Gesetz halten müssen.
Der Bauernverband erklärte nun, man distanziere sich scharf von Personen, die Umsturzfantasien propagierten oder Gewalt verherrlichten. Das gelte auch für rechtsextremistische Kreise und andere radikale Randgruppen – «auch weil diese teilweise unseren Protest für ihre niederträchtigen Anliegen vereinnahmen wollen». Landwirte seien aufgerufen, nur friedlich zu demonstrieren und nur an angemeldeten und genehmigten Aktionen teilzunehmen.
«Sie haben sich verrannt»
Auch Finanzminister Christian Lindner rief die Bauern auf, friedlich zu bleiben. «Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren. Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um», sagte der FDP-Chef. Protest müsse verhältnismäßig und im Rahmen der demokratischen Ordnung erfolgen.
Ähnlich äußerte sich Agrarminister Cem Özdemir. «Wer jetzt glaubt, mit Umsturzfantasien hier irgendwie Eindruck machen zu können, wird sehen, dass die Mehrheit unseres Landes und auch die Politik da sehr klar steht: Wir sind nicht erpressbar», sagte der Grünen-Politiker am Freitagabend im ZDF. Er unterschied zwischen einem legitimen Protest und Aktionen wie gegen Habeck.
Der Protest der Landwirte hatte sich an Sparplänen der Koalition entzündet. Die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für die Landwirtschaft soll nun allerdings weiter gelten. Die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll nur schrittweise auslaufen. Die Branche argumentiert unter anderem mit dem internationalen Wettbewerb. Dem Bauernverband reicht die teilweise Rücknahme der Pläne nicht aus.
Özdemir hatte sich dafür starkgemacht, dass die Sparmaßnahmen abgemildert werden. Auf die Frage, ob er den Landwirten weiter entgegenkommen könne, sagte er: «Nein, denn das müsste gegenfinanziert werden.» Die Koalition gehe sehr fair vor.
Auch Lindner verteidigte die Ampel-Politik: «Gerade eine europäisch und national so hochsubventionierte Branche wird sich nicht jedes Konsolidierungsbeitrags erwehren können.» Man könne nicht auf der einen Seite von der gesenkten Stromsteuer profitieren wollen und zusätzliche Fördermittel für den Stallumbau fordern und auf der anderen Seite an alten Subventionen festhalten.
«Viele in unserem Land schockiert»
Die Aktion gegen Habeck hat auch eine Diskussion über die Protestkultur in Deutschland ausgelöst. «Zu sehen, wie ein Minister auf einer privaten Reise von einer aggressiven Menschenmenge eingeschüchtert wird und sich nach Bedrohungen in Sicherheit begeben musste, hat viele in unserem Land schockiert, auch mich. Das dürfen wir nicht hinnehmen», sagte etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der «Bild» (Freitag).
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sieht eine besondere Verantwortung des Bauernverbands und regionaler Organisatoren. «Sie müssen vor den angekündigten Demonstrationen in der kommenden Woche deeskalieren», sagte Haßelmann der Deutschen Presse-Agentur. Sie müssten sich Gedanken machen, wie sie friedlichen Protest und die Sicherheit von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Politikern gewährleisteten, die sich der demokratischen Debatte stellten.
Die «Welt am Sonntag» berichtete unterdessen, dass Behörden im Zusammenhang mit den geplanten Protesten Mobilisierungsaufrufe und Solidaritätsbekundungen von Rechtsextremisten, Gruppierungen der Neuen Rechten und der Querdenker-Szene, besonders in den sozialen Medien, beobachteten. Dabei berief sich das Blatt auf das Bundeskriminalamt und Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern. Darunter seien Aufrufe für einen «Generalstreik» und «Umsturzrandale» sowie für eine «Unterwanderung» der Demonstrationen. Auch das Innenministerium hatte vor Versuchen gewarnt, Bauernproteste zu missbrauchen.
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