Nach Einschätzung von Deutschlands größtem Agrarhändler Baywa droht in Europa trotz des Ukrainekriegs in diesem Jahr keine Lebensmittelknappheit.
«Es gibt keinen Grund, zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland, in Mitteleuropa und der EU über eine Hungersnot oder Ähnliches zu philosophieren oder sogar zu schwadronieren», sagte Baywa-Vorstandschef Klaus Josef Lutz in München. «Das ist einfach Unsinn.»
Wohl aber werden nach Einschätzung des Baywa-Chefs die Lebensmittelpreise weiter steigen. Lutz forderte im gesamteuropäischen Interesse eine einheitliche Reaktion der EU und kritisierte Ungarns rechtspopulistischen Regierungschef Viktor Urban, dessen Regierung sich vorbehält, die Getreideexporte aus dem südosteuropäischen Land zu beschränken. Lutz warf der ungarischen Regierung offenen Bruch europäischen Rechts vor: «Das ist schlicht illegal.»
Russland und die Ukraine zusammen exportierten etwa 30 Prozent des Getreides auf dem Weltmarkt, sagte Lutz. Das Münchner Unternehmen geht davon aus, dass in diesem Jahr ein erheblicher Teil dieser Exporte ausfallen wird. Allein in der Ukraine stehen nach Lutz‘ Worten derzeit 40 Millionen Tonnen Getreide «im Risiko», weil ungewiss ist, ob geerntet beziehungsweise überhaupt gesät werden kann. Russland und die Ukraine zählen bisher auf dem Weltmarkt zu den wichtigsten Exporteuren von Weizen, Mais und Ölsaaten wie Raps.
Auch Deutschlands zweitgrößter Agrarhändler Agravis erwartet deutlich höhere Verbraucherpreise, wie Vorstandschef Dirk Köckler in Münster sagte.
Die Erzeuger- und Handelspreise in der Landwirtschaft waren schon im vergangenen Jahr vor Beginn des Kriegs gestiegen. Davon profitieren auch die Agrarhändler. Die Baywa steuert in diesem Jahr ein neues Rekordergebnis an.
Der Konzern beliefert insbesondere im Süden Deutschland die Landwirte mit Saatgut, Dünger, Landmaschinen und anderen Produkten. Ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld des Mischkonzerns ist der Bau und Betrieb von Ökostrom-Kraftwerken. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz um mehr als 20 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro.
Agravis ist vor allem in Norddeutschland präsent und schloss das zweite Pandemie-Jahr mit einem Umsatzplus von knapp 14 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro ab. Während die Baywa mit ihrem gemischten Portfolio optimistisch auf 2022 schaut, rechnet Agravis mit einem Umsatzrückgang.
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