Der Diesel-Betrugsprozess gegen den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn beginnt gut zwei Monate später als zunächst geplant. Das kündigte das Landgericht Braunschweig an.
Demnach soll die Hauptverhandlung im zentralen «Dieselgate»-Verfahren statt am 25. Februar nun erst am 20. April starten. Zur Begründung wurde die derzeitige Corona-Lage genannt. Winterkorn steht demnächst zusammen mit vier weiteren Führungskräften von Volkswagen vor Gericht. Die Anklage lautet auf gewerbs- und bandenmäßigen Betrug im Zusammenhang mit den Abgas-Manipulationen an Millionen Autos, die 2015 die Dieselkrise ausgelöst hatten.
Die 6. Strafkammer des Landgerichts hob die bisher angepeilten Termine nun auf und setzte einen neuen Plan für die Zeit ab dem 20. April fest. Der gesamte Prozess mit über 130 Verhandlungstagen dürfte dann weiterhin bis zu zwei Jahre dauern. Wegen des vermuteten großen Interesses wurde er in die Braunschweiger Stadthalle verlegt.
Es hatte bereits zum Jahreswechsel Hinweise darauf gegeben, dass das Gericht die Hauptverhandlung verschieben könnte – möglicherweise auch wegen des Gesundheitszustands von Winterkorn. Die Kammer hatte sich zu dessen Verhandlungsfähigkeit von einem Gutachter beraten lassen. Sie nahm hierauf in der Entscheidung zur Verschiebung keinen Bezug, sondern nannte die Pandemie-Situation. Verschärfte Schutzmaßnahmen hätten den Prozessauftakt zwar wohl «nicht direkt betroffen», hieß es. Für die Kammer brächten die politischen Beschlüsse im Kampf gegen Corona «gleichwohl eine Bewertung zum Ausdruck, die die Verlegung auf einen Zeitpunkt im Frühjahr als sachgerecht erscheinen lässt».
Zuletzt war auch nicht klar, ob Winterkorn (73) überhaupt regelmäßig im Gerichtssaal wird erscheinen können. Er soll nach Angaben aus seinem Umfeld gesundheitlich angeschlagen sein. Berichten zufolge soll der Ex-Manager vor einer wichtigen Operation stehen, die den Ablauf der Hauptverhandlung zusätzlich durcheinanderbringen könnte.
Das Landgericht hatte dazu erklärt: «Die Verhandlungsfähigkeit eines Angeklagten setzt seine Fähigkeit voraus, in- oder außerhalb der Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen.» Sollte diese Fähigkeit eingeschränkt sein, könnten beispielsweise auch Pausen oder Unterbrechungen eine Option sein, um das Verfahren zu durchlaufen.
Im September 2015 hatte Volkswagen nach Prüfungen von Behörden in den USA Manipulationen an Abgaswerten zugegeben. Die Software bestimmter Motoren war so eingestellt, dass auf der Straße deutlich mehr giftige Stickoxide ausgestoßen wurden als in Tests. Die Enthüllungen traten den Abgasskandal los, der den Konzern bis heute weit über 30 Milliarden Euro an juristischen Ausgaben kostete. Darüber hinaus erfasste eine tiefe Vertrauenskrise die gesamte Autobranche.
Winterkorn war schnell zurückgetreten. Er sei sich jedoch «keines Fehlverhaltens bewusst», sagte er damals. Vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestags betonte er ebenfalls, nichts von illegalen Täuschungen gewusst zu haben. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig klagte ihn nach langwierigen Ermittlungen dennoch an. Zwischenzeitlich hatten Gerüchte über eine Einstellung die Runde gemacht, weil die Ankläger in einigen Punkten nacharbeiten mussten.
Der Ex-VW-Chef hatte sich zunächst auch auf einen Prozess wegen mutmaßlicher Marktmanipulation einstellen müssen. Dieser wurde kürzlich aber abgesagt. Die mögliche Strafe, die auf Winterkorn schon im Betrugsverfahren zukommen könnte, dürfte deutlich höher sein als beim Vorwurf der zu späten Information der Finanzwelt über die Folgen der Abgaskrise, erklärte das Gericht. Ein ähnliches Verfahren gegen den aktuellen VW-Konzernchef Herbert Diess sowie gegen den früheren Finanzvorstand und heutigen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch war 2020 gegen die Zahlung von 9 Millionen Euro eingestellt worden.
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