Angesichts der Inflation hat der britische Industrieverband CBI seine Konjunkturerwartungen drastisch nach unten korrigiert.
Die Organisation geht für 2022 nur noch von einem Wachstum von 3,7 Prozent aus. Bisher waren es 5,1 Prozent. Im kommenden Jahr soll die Wirtschaft demzufolge ein Prozent zulegen – bisher war der Verband von einem Plus von 3 Prozent ausgegangen. Die Haushaltsausgaben würden deutlich abnehmen, hieß es in einer CBI-Mitteilung vom Montag.
«Es braucht nicht viel, um uns in eine Rezession zu treiben», sagte Verbandschef Tony Danker. «Selbst wenn das nicht passiert, wird es sich für zu viele Menschen dennoch wie eine Rezession anfühlen.» Unternehmen hätten mit steigenden Kosten zu kämpfen, und Menschen mit geringeren Einkommen müssten sich Gedanken machen, wie sie Rechnungen bezahlen und Lebensmittel kaufen können. Die Regierung müsse dringend Maßnahmen ergreifen, forderte Danker. «Untätigkeit in diesem Sommer würde eine stagnierende Wirtschaft im Jahr 2023 in Stein meißeln, und eine Rezession wäre eine sehr realistische Sorge.»
Im April ist die britische Wirtschaft aktuellen Zahlen zufolge erneut geschrumpft. Nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Vormonat um 0,1 Prozent ging das BIP im April um 0,3 Prozent zurück, wie das Statistikamt ONS am Montag in London mitteilte. Analysten hatten im Schnitt mit einem leichten Anstieg der Wirtschaftsleistung gerechnet.
Warnung vor Aufkündigung der Brexit-Regeln
Der Verband CBI mahnte die Regierung, die mit der EU vereinbarten Brexit-Regeln für Nordirland nicht einseitig aufzukündigen und so einen Handelskrieg mit der Union zu riskieren. Zudem müsse die Regierung als ehrlicher Vermittler zwischen Eisenbahnunternehmen und Gewerkschaften agieren, damit Streiks und ein Reisechaos im Sommer abgewendet würden. Genehmigungszeiten für Offshore-Windparks müssten auf ein Jahr verkürzt, Unterstützungsmaßnahmen für Investoren und Unternehmen ausgeweitet werden. Wichtig sei außerdem, den Fachkräftemangel stärker zu bekämpfen.
Den CBI-Schätzungen zufolge sinken die verfügbaren Realeinkommen der Haushalte im Jahresverlauf um 2,3 Prozent – so stark wie seit Mitte der 50er Jahre nicht. Die Inflation bleibe hoch. Auch wegen der Energiepreise rechnet der Verband im Oktober mit einer Teuerung von 8,7 Prozent. Angetrieben werde die Inflation von Lieferkettenproblemen, steigenden Rohstoffpreisen und dem russischen Krieg gegen die Ukraine. «Das Ergebnis ist ein historischer Rückgang der Haushaltseinkommen, der die Verbraucherausgaben senken wird», betonte der Verband. Erst Ende 2023 sinke die Teuerungsrate wohl wieder auf 1,9 Prozent und damit auf das Niveau von rund 2 Prozent, das die Zentralbank anstrebt.
«Der Krieg in der Ukraine, eine globale Pandemie, andauernde Belastungen der Lieferketten – und davor der Brexit – haben sich als giftiges Gebräu für das britische Wirtschaftswachstum erwiesen», sagte CBI-Chefvolkswirtin Rain Newton-Smith. «Unter dem Strich bleiben die Aussichten für britische Exporte weitaus schlechter als für unsere globalen Wettbewerber.» Premierminister Boris Johnson hat wiederholt behauptet, dass sich die britische Wirtschaft nach der Pandemie als stärker erwiesen habe als die der anderen G7-Staaten.
Zuvor hatte bereits der Handelskammerverbund British Chambers of Commerce seine Konjunkturerwartungen deutlich gesenkt.
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