Die Bundesregierung arbeitet wegen der Explosion der Energiepreise an einem neuen milliardenschweren Hilfsprogramm für Unternehmen. Das sagte ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag in Berlin. Der Stadtwerkeverband VKU forderte Staatshilfen. Die Union warnte vor einer Insolvenzwelle bei Firmen. Die Debatte über eine Abschaffung der umstrittenen Gasumlage, die für Millionen von Kunden höhere Preise bedeutet, hält an.
Mit der Umlage sollen Gasimporteure gestützt werden, die wegen ausbleibender russischer Lieferungen sehr hohe Kosten für Ersatzbeschaffungen haben. Die Bundesregierung will trotz einer geplanten Verstaatlichung von Deutschlands größtem Gasimporteur Uniper vorerst am Instrument der Umlage festhalten, die zum 1. Oktober eingeführt werden soll.
Klingbeil: Gasumlage gehört auf den Prüfstand
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sprach sich für eine Überprüfung des umstrittenen Instruments aus. «Ich unterstütze den Weg, den Robert Habeck hier vorgeschlagen hat», sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf die geplante Verstaatlichung von Uniper. «Ich sage aber auch klar: Die Gasumlage gehört damit jetzt auf den Prüfstand. In der SPD habe es von Anfang an Bedenken gegen das Instrument gegeben. Das Ziel dahinter sei und bleibe zwar richtig: «Es geht darum, die Gasversorgungsinfrastruktur zu stützen.» Dabei müsse es aber gerecht zugehen.
Die Union warf der Bundesregierung wegen der Preisexplosion beim Gas mangelndes Handeln vor. Die Lage sei dramatisch, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja am Freitag im Bundestag. Die Regierung reagiere darauf aber in keiner anständigen Art und Weise. Die Union fordert in dem Antrag unter anderem, die Verordnung über die Gasumlage mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Außerdem solle eine Preisbremse für Unternehmen und Betriebe eingesetzt werden.
Der Chef des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), Ingbert Liebing, warnte vor einem Kollaps der Strom- und Gasversorgung, falls es keine Staatshilfen für angeschlagene Stadtwerke geben sollte. «Wenn wir zulassen, dass Stadtwerke in Insolvenz gehen und als Strom- und Gasanbieter ausscheiden, kann das eine Kettenreaktion auslösen, – bis hin zum Zusammenbruch der Energieversorgung», sagte Liebing dem «Spiegel».
Im Falle der Insolvenz müssten die privaten Gas- und Stromabnehmer eines pleite gegangenen Stadtwerks von dem Energieversorger mit den meisten belieferten Haushaltskunden des Netzgebiets in der Grundversorgung übernommen werden. «Diese Versorger müssten für ihre vielen neuen Kunden große Mengen zusätzliches Gas und Strom zu aktuell exorbitanten Preisen aufkaufen», sagte Liebing. «Im Zweifelsfall gehen sie dann auch in die Knie – und wir bekommen einen Flächenbrand.» Der VKU fordert einen umfassenden staatlichen Schutzschirm für die 900 Stadtwerke in Deutschland.
Wirtschaftsminister Habeck hatte wegen der stark gestiegenen Energiekosten erweiterte Hilfen für Unternehmen angekündigt. Ein neues Hilfsprogramm soll mehrere Milliarden Euro umfassen, wie ein Sprecher am Freitag sagte. Er könne noch keine genauen Angaben machen, dies sei Teil von Gesprächen innerhalb der Bundesregierung.
Milliardenschweres Sondervermögen ins Spiel gebracht
Ein Antrag der Ampel-Haushälter sah vor, dass Unternehmen, die Zuwendungen aus der Gasumlage erhalten oder Mittel im Rahmen anderer staatlicher Unterstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise keine Dividenden, Boni, Sonderzahlungen in Form von Aktienpaketen oder andere gesonderte Vergütungen neben dem Festgehalt für ihre Organe ausgeben dürfen. Der Antrag lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuerst hatte der «Spiegel» darüber berichtet.
Zur Finanzierung zusätzlicher Hilfen für Firmen hatte Habeck ein milliardenschweres Sondervermögen ins Spiel gebracht. Für die Bundeswehr hatte die Politik einen 100 Milliarden Euro schweren Sondertopf beschlossen. Dies bedeutet neue Schulden. Am Donnerstag hatte Habeck gesagt, für zielgenaue Unterstützungsmaßnahmen müssten auch «fiskalpolitische Instrumente» genutzt werden. Wenn man nicht an die Schuldenbremse heran wolle, gebe es andere Möglichkeiten.
In der Bundesregierung pocht vor allem Finanzminister Christian Lindner (FDP) darauf, dass im kommenden Jahr wieder die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten wird. Diese war in den vergangenen Jahren wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt worden. Sie erlaubt dem Bund nur in geringem Maße, neue Kredite aufzunehmen.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erteilte Rufen der Koalitionspartner und der Opposition nach einem weiteren Aussetzen der Schuldenbremse eine Absage. «Die Schuldenbremse ist eine Inflationsbremse. Die Schuldenbremse ist eine Steuererhöhungsbremse», sagte Djir-Sarai der dpa in Berlin. Die Menschen klagten ebenso wie die Wirtschaft über horrende Preise und verlangten zu Recht von der Politik Maßnahmen, die die Preissteigerungen milderten.
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