21. November 2024

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China befeuert Rohstoffnachfrage

China und die USA erholen sich am schnellsten von der Corona-Rezession - Rohstoffe werden weltweit knapp und teuer. In Deutschland treffen Lieferengpässe einen Wirtschaftssektor besonders.

Die anspringende Weltkonjunktur mit den Dickschiffen USA und China lässt Rohstoffe wie Metall und Holz immer knapper werden – und damit auch massiv teurer.

Im deutschen Handwerk gefährdet das zusehends den ersehnten Aufschwung. Die Lage werfe sämtliche Kalkulationen über den Haufen und bringe zahlreiche Betriebe in die «völlig paradoxe Lage», bei vollen Auftragsbüchern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken zu müssen, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist nicht nur für die am stärksten betroffenen Bau- und Ausbaugewerke dramatisch, sondern für unsere Wirtschaft insgesamt.»

Wollseifer sprach von einer «noch nie da gewesenen» Materialknappheit bei gleichzeitiger Preisexplosion. «Die Situation hat sich in den vergangenen Wochen noch einmal verschärft und zugespitzt.» Nach Berechnungen des Hamburger Forschungsinstitutes HWWI sind die Preise für Industrierohstoffe allein von April bis Mai um durchschnittlich 14,2 Prozent gestiegen.

«Die rasche Erholung der Weltwirtschaft und insbesondere der starke Aufwärtstrend der chinesischen Wirtschaft sorgen derzeit für eine hohe Nachfrage nach Rohstoffen», berichtete das HWWI am Freitag. «Besonders stark stiegen im Mai die Preise für Industrierohstoffe, da die hohe weltweite Nachfrage, insbesondere aus China, auf ein weiterhin eingeschränktes Angebot traf.»

Mit Problemen bei der Materialbeschaffung kämpften inzwischen deutlich mehr als die Hälfte der befragten Betriebe, im Januar sei es noch gut ein Drittel gewesen, sagte Wollseifer unter Berufung auf eine neue Umfrage unter Handwerksbetrieben. Unter den Betrieben mit Beeinträchtigungen in der eigenen Lieferkette berichteten demnach 84 Prozent davon, dass Aufträge storniert oder verschoben werden müssten – weil Material fehle. 61 Prozent der von Lieferengpässen betroffenen Firmen meldeten, dass es durch die Preissprünge unwirtschaftlich werde, bestehende Aufträge zu erfüllen.

Am häufigsten fehlen laut Umfrage in Betrieben aktuell Metalle, daneben gebe es Engpässe bei Holz sowie bei Kunststoffen und Elektronikkomponenten. Bei vielen dieser Vorprodukte ziehen die Preise massiv an. Das HWWI nennt als Beispiel Kupfer, aber auch Nickel und Zinn. «China ist der weltweit größte Verbraucher von Kupfer und verbraucht die Hälfte der globalen Produktion», schreibt das HWWI. Die klimapolitisch getriebene Elektrifizierung der Wirtschaft gilt ebenfalls als Antreiber für die Nachfrage nach Industriemetallen wie Kupfer.

Ein Zehn-Jahres-Hoch machen die Experten bei Zinn aus, das im Mai 14,4 Prozent teurer war als einen Monat zuvor. Das erklären sie mit der Nachfrage aus der Unterhaltungselektronik. «Aufgrund der zunehmenden Remotearbeit und des Homeschoolings während der Pandemie ist die Nachfrage nach Smartphones, Laptops und iPads stark angestiegen.» Auch Stahl sowie Eisenerz haben sich den Angaben nach massiv verteuert.

Ebenso setzen die Holzpreise ihren Höhenflug fort. «Im Durchschnitt stiegen die Schnittholzpreise um weitere 33 Prozent im Vergleich zum April und lagen damit mehr als 340 Prozent höher als im Mai 2020», so das HWWI. «Die Schnittholzpreise werden weiterhin von einem enormen Nachfrageanstieg im Zuge der wirtschaftlichen Erholung getrieben.»

Für Verbraucher dürfte sich der Trend nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts zunehmend in Preiserhöhungen niederschlagen. «Viele Unternehmen geben Preiserhöhungen auf der Beschaffungsseite weiter», sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe am Freitag. «Zudem gibt es teilweise Nachholeffekte aufgrund früherer Preissenkungen während der Coronakrise.» Nach seiner Einschätzung gibt es kaum Branchen, in denen keine Preiserhöhungen bevorstehen. «Die starken Preissteigerungen bei vielen Rohstoffen ziehen sich letztendlich quer durch die gesamte Wirtschaft.»

Hans Peter Wollseifer zufolge gefährdet die brisante Gemengelage aus Lieferengpässen und steigenden Preisen genau die Gewerke, die sich während der Pandemie als Konjunkturstabilisator erwiesen hätten – mit gesamtwirtschaftlichen Folgen. «Sollte sich dieser Konjunkturanker lösen, dann dürften nicht nur die Bau- und Ausbaugewerke in schweres Wasser geraten, sondern der gesamte wirtschaftliche Aufholprozess im zweiten Halbjahr ist gefährdet», sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). «Und was anstehende Zukunftsvorhaben etwa beim Wohnungsbau, im Energie- und Netz- sowie Breitband- und Glasfaserausbau betrifft, werden die erst einmal auf Eis liegen und zum Stillstand kommen. Hier ist Abhilfe also dringend geboten.»

Nach einer aktuellen Ifo-Umfrage hat fast die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland Schwierigkeiten mit der Lieferung von Zwischenprodukten. «Einen so hohen Anteil hatten wir noch nie. All dies bremst die wirtschaftliche Erholung», sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Freitag «Zeit Online». Allerdings gehe sein Institut davon aus, dass diese Situation vorübergehend ist. «Es gibt auch eine Knappheit aus guten Gründen, die entsteht, wenn weltweit die Konjunktur wieder anspringt, Firmen mehr Halbleiter brauchen und deshalb der Preis steigt.»

Von Andreas Hoenig und Thomas Kaufner, dpa