Anlässlich eines Spitzentreffens im Kanzleramt gibt es Kritik am Tempo der Umstellung auf Elektroautos. «Wir sind in allen wesentlichen Zielgrößen, die sich die Bundesregierung selber gesetzt hat, deutlich im Verzug», sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann am Dienstag im Deutschlandfunk. In den Punkten, die für eine gelingende Mobilitätswende wesentlich seien, liege man weit hinter der nötigen Ausbaugeschwindigkeit.
Bürgerinnen und Bürger seien noch vorsichtig, sich Elektrofahrzeuge anzuschaffen. Dies liegt aus Sicht von Hofmann vor allem an der nicht ausreichenden Ladeinfrastruktur, die ein großes Hemmnis darstelle. Ladeinfrastruktur müsse auch da entstehen, wo sie wirklich benötigt werde wie auf dem Land, und nicht nur dort, wo es sich lohne. Der IG-Metall-Vorsitzende sprach von Zögerlichkeit der Automobilindustrie und bei Plänen, die sich die Politik selbst gesetzt habe.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat für Dienstagnachmittag zu einem Spitzengespräch zur Zukunft der Autobranche geladen. Am ersten Gespräch der sogenannten Strategieplattform «Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft» im Kanzleramt sollten neben mehreren Ministern auch Vertreter von Wirtschaft, Arbeitnehmern, Wissenschaft, Ländern und Kommunen teilnehmen. Es dürfte vor allem um einen Meinungsaustausch gehen.
Gebremster Umstieg auf E-Autos
Der Umstieg auf E-Autos wird nach einer Verbraucherumfrage der Unternehmensberatung Deloitte von steigenden Kosten und fehlender Infrastruktur gebremst. Trotz wachsender Modellauswahl würden nur 16 Prozent der Befragten beim nächsten Autokauf einen reinen Stromer nehmen. Ende 2021 lag der Anteil demnach bei 15 Prozent. Niedrigere Betriebskosten und staatliche Kaufprämien seien wesentliche Argumente für den Kauf eines E-Autos. «Nun schießen die Stromkosten in die Höhe, während die Förderung sukzessive zurückgefahren wird und 2025 sogar ausläuft. Das wird dazu führen, dass künftig weniger Elektroautos verkauft werden», sagte Branchenexperte Harald Proff.
Als größte Bedenken führten Verbraucher die Reichweite an: Mit 57 Prozent wurde sie am häufigsten genannt, gefolgt von einer fehlenden öffentlichen Ladeinfrastruktur (47 Prozent), der Ladezeit und der nicht vorhandenen Lademöglichkeit im eigenen Zuhause (je 45 Prozent). 75 Prozent der in Deutschland Befragten würden ihr E-Auto am häufigsten zu Hause laden. Dieser Wunsch sei im Vergleich zum Vorjahr (70 Prozent) gestiegen, obwohl Lademöglichkeiten gerade in dicht besiedelten Städten fehlten, teilte Deloitte weiter mit.
Aus Sicht des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sind Lademöglichkeiten jedoch nicht das Problem. Eine eigene Umfrage zeige, dass Nutzer die Entwicklung des Ladeangebots positiv beurteilten. «Die Auslastung der Ladesäulen liegt bei rund 15 Prozent, da ist ordentlich Luft nach oben», erklärte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. «Das Henne-Ei-Problem im Markt existiert nicht mehr.»
Nachfrage übersteigt Angebot
Die Nachfrage nach E-Autos übersteige bei Weitem das Angebot, so Andreae. Kunden warteten teils länger als ein Jahr auf ihren Wagen. Die Zulassungszahlen müssten deutlich schneller steigen, um bis 2030 insgesamt 15 Millionen vollelektrische Pkw auf den Straßen zu haben – dieses Ziel hat sich die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP im Koalitionsvertrag gesetzt. «Es reicht nicht, mit Kaufprämien und über einen vorauslaufenden Ausbau des Ladeangebots die Nachfrageseite anzukurbeln. Die Nachfrage und Akzeptanz sind bereits hoch, jetzt muss das Fahrzeugangebot gestärkt werden.»
Kritik gab es am Teilnehmerkreis des Treffens. Die Organisation Lobbycontrol erinnerte daran, dass die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag Diskussionen zum Thema mit einem größeren Kreis angekündigt hatte. «Nun lädt Bundeskanzler Olaf Scholz wieder zu einem einseitig besetzten Autogipfel ein.» Dem Auto werde damit weiter Priorität vor anderen klimafreundlicheren Verkehrsmitteln eingeräumt. Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) äußerte sich ähnlich – das sei, als wenn man einen Sportlergipfel einberufe und nur Fußballer einlade. Die Bundesregierung selbst äußerte sich im Vorfeld nicht zur genauen Zusammensetzung des Treffens.
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