Gedränge auf Bahnsteigen, Verspätungen und vereinzelt geräumte Züge: Wer zu Pfingsten mit dem 9-Euro-Ticket im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unterwegs war, brauchte zumindest auf manchen Strecken starke Nerven.
Dennoch hat die Branche aus eigener Sicht den ersten Stresstest bestanden. «Insgesamt blickt die DB auf einen geregelten Pfingstverkehr zurück», teilte etwa die Deutsche Bahn am Dienstag mit. «Jedoch gab es wie erwartet regionale Auslastungsspitzen.»
Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). «Wir haben für das Pfingstwochenende mit sehr vollen Fahrzeugen und Bahnsteigen gerechnet, und das hat sich bestätigt», teilte Verbandspräsident Ingo Wortmann mit. Die Verkehrsunternehmen und die Fahrgäste seien aber sehr gut vorbereitet gewesen. Die Unternehmen hätten die hohe Nachfrage gemeistert.
Verband: Notwendigkeit für Investitionen deutlich
Dennoch waren viele Züge vor allem auf touristischen Strecken überlastet. «Zeitweise mussten zudem an den großen Bahnknoten wie in Köln, Hamburg oder Berlin Bahnsteige wegen des großen Andrangs gesperrt werden», hieß es vom VDV. Räumungen oder Teilräumungen von Fahrzeugen blieben demnach «die absolute Ausnahme». Das deutlich erhöhte Fahrgastaufkommen über Pfingsten mache deutlich, «dass wir dringend die nötigen Investitionen in den Ausbau, in die Modernisierung und für Kapazitätserweiterungen unserer Angebote benötigen».
Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) forderte erneut Investitionen in Busse und Bahnen. Das 9-Euro-Ticket habe die Mitarbeiter an die Belastungsgrenze gebracht, sagte Vizechef Martin Burkert. «Größte Probleme am Wochenende waren wie erwartet überfüllte Züge, die Fahrradmitnahme und die Durchsetzung der Maskenpflicht.» Viele Reisende hätten sich jedoch mit Beschäftigten solidarisch verhalten.
Mehr als 6,5 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft
Der Chef der Bahn-Tochter DB Regio, Jörg Sandvoß, sprach ebenfalls von einem Kraftakt der Mitarbeiter. Die Deutsche Bahn hat im Nahverkehr auf Schienen einen Marktanteil von rund 59 Prozent. Das 9-Euro-Ticket gilt auch in den Zügen der Konkurrenz.
Mit dem Aktionsfahrschein können Fahrgäste im Juni, Juli und August einen Monat lang bundesweit den Nahverkehr nutzen. Allein die Deutsche Bahn hat nach eigenen Angaben 6,5 Millionen der Tickets verkauft. «Der große Zuspruch zeigt: Die Leute wollen Bahn und Bus», sagte Verkehrsminister Volker Wissing. «Gemeinsam mit den Ländern werden wir die drei Monate des 9-Euro-Tickets genau evaluieren, um daraus Schlüsse hinsichtlich Preis und Angebot im ÖPNV zu ziehen.»
Nach Pfingsten blicken alle Beteiligten auf die nächste Bewährungsprobe: Auch Fronleichnam am 16. Juni ist in vielen Bundesländern – vor allem im Süden und Westen – frei. «Wir rechnen damit, dass der nächste Brückentag kommende Woche wieder ein harter Brocken für die Bahn und für Fahrgäste wird», sagte der baden-württembergische Landesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro-Bahn, Joachim Barth.
Dann muss es laut Sozialverband VdK Deutschland auch «mehr Stellplätze und Sitzplätze für mobilitätseingeschränkte Personen geben», sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele der «Neuen Osnabrücker Zeitung».
Mobilitätsbeeinträchtigten Fahrgästen etwa mit Rollstuhl oder Rollator, aber auch Eltern mit Kinderwagen sei es an Pfingsten teilweise unmöglich gewesen, in den Zug zu kommen und dort einen Stell- oder Sitzplatz zu finden. Dabei hätten in der Bahn Rollstuhlfahrer und Fahrgäste mit Kinderwagen Vorrang, so die VdK-Präsidentin: «Alle, die wollen, müssen das Ticket auch nutzen können. Das ist nur jetzt nicht der Fall.» Die Bahn müsse deshalb nun sofort handeln.
49 Prozent der Menschen wollen ÖPNV meiden
Aus Angst vor dem Chaos in Bussen und Bahnen will fast die Hälfte der Menschen in Deutschland wenn möglich öffentliche Verkehrsmittel, in denen das 9-Euro-Ticket gilt, in den Sommermonaten meiden. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov stimmten 49 Prozent der Befragten voll und ganz oder eher zu, den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr aus Sorge vor vollen Zügen und Bahnchaos nach Möglichkeit nicht nutzen zu wollen. 21 Prozent der Menschen stimmten der Aussage überhaupt nicht zu, 18 Prozent eher nicht. Die restlichen 12 Prozent waren sich unsicher oder machten keine Angaben.
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