Frauen haben auch im vergangenen Jahr in Deutschland durchschnittlich deutlich weniger verdient als Männer.
Die auch Gender Pay Gap genannte Einkommenslücke sank im Vergleich zu 2019 um einen Punkt auf 18 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag berichtete. Frauen verdienten demnach mit durchschnittlich 18,62 Euro brutto pro Stunde 4,16 Euro weniger als Männer (22,78 Euro). 2019 hatte die Differenz noch 4,28 Euro betragen. Das Bundesamt wollte Sondereinflüsse durch die stark verbreitete Kurzarbeit im Corona-Jahr 2020 allerdings nicht ausschließen.
Der Großteil (71 Prozent) des Verdienstunterschieds zwischen Männern und Frauen hatte laut Statistikamt strukturelle Gründe – etwa, weil Frauen häufiger in schlecht entlohnten Berufen tätig sind und seltener Führungspositionen erreichen. Außerdem arbeiten sie öfter in Teilzeit und Minijobs. Doch selbst bei gleicher Tätigkeit und vergleichbarer Qualifikation verdienen Frauen noch 6 Prozent weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Die Statistiker sprechen hier vom bereinigten Gender Pay Gap, für den allerdings nur Werte für das Jahr 2018 vorlagen.
Im Osten ist auch der unbereinigte Wert mit nur 6 Prozent deutlich kleiner als im Westen mit 20 Prozent. Der europäische Durchschnitt lag 2019 bei 15 Prozent Unterschied.
Seit 2008 wird die Lücke am Internationalen Aktionstag für gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, dem sogenannten Equal Pay Da, angeprangert. Der Termin beschreibt den Tag im Jahr, bis zu dem Frauen rechnerisch umsonst arbeiten müssten, wenn man die Lücke in Arbeitszeit umrechnete. «Das Datum des Equal Pay Day signalisiert, wie fair Frauen und Männer in Deutschland bezahlt werden», sagt Uta Zech, Präsidentin des Urheber-Vereins Business and Professional Women (BPW). «Je früher das Datum im Jahr liegt, desto gerechter geht es in unserer Arbeitswelt zu.» Für 2021 wurde das Datum um vier Tage nach vorne auf den 10. März (Mittwoch) verlegt, weil die Lohnlücke bereits im vergangenen Jahr kleiner geworden war.
Eine am Dienstag vorgestellte Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Schluss, dass die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau auch in individuellen Entscheidungen von heterosexuellen Paaren begründet sind. Bei ihnen verstärke sich die traditionelle Rollenverteilung, wenn Kinder geboren werden. «Rollenbilder wiegen damit offensichtlich stärker als ökonomische Interessen. Von daher kann von Lohndiskriminierung keine Rede sein», erklärte der Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, welche die Studie in Auftrag gegeben hatte. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibe eine zentrale Stellschraube für beständige Erwerbsbiografien. Brossardt verlangte zudem bessere Betreuungsangebote und ein flexibleres Arbeitszeitrecht.
Das Bundesamt wies darauf hin, dass die in der Corona-Zeit verbreitete Kurzarbeit Einfluss auf die Bruttoverdienste gehabt haben könnte, äußerte sich aber nicht zur Dimension. Im vergangenen Jahr waren die durchschnittlichen Stundenverdienste der Frauen mit +3,5 Prozent stärker gestiegen als die der Männer mit +2,3 Prozent.
Die DGB-Vizevorsitzende Elke Hannack bewertete den Rückgang der Einkommenslücke auf 18 Prozent als Corona-Effekt. Die Kurzarbeit habe die Einkommensentwicklung gerade bei Männern besonders gebremst, erklärte die Gewerkschafterin in Berlin. «Daher kann uns die aktuelle Zahl von 18 Prozent nicht optimistisch stimmen, sondern muss uns herausfordern gerade jetzt in Sachen Entgeltgleichheit am Ball zu bleiben.» Auch Hannack verlangte bessere Betreuungsangebote für Kinder. Gleichzeitig brauche es aber gesetzliche Regelungen, die Unternehmen zur regelmäßigen Überprüfung ihrer Entgeltpraxis verpflichteten, und allgemein eine Aufwertung frauendominierter Tätigkeiten.
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