Die Zeit der Negativzinsen für Tagesgeld und Co. nähert sich dem Ende.
Schon vor der erwarteten ersten Leitzinserhöhung im Euroraum seit elf Jahren haben mindestens 49 Geldhäuser das sogenannte Verwahrentgelt für Privatkunden ganz oder teilweise abgeschafft, wie aus einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox von rund 1300 Banken und Sparkassen hervorgeht. Viele warten allerdings noch ab. Angesichts der rasant gestiegenen Inflation bleiben die Zeiten für Sparer ohnehin schwierig.
«Historisches Zinsphänomen geht zu Ende»
Den Daten zufolge verlangen aktuell immer noch mindestens 426 Kreditinstitute Negativzinsen ab bestimmten Summen auf dem Tagesgeld – oder Girokonto (Stand: 14. Juli). «Sobald die Notenbank den Strafzins auf Bankeinlagen streicht, werden auch die Negativzinsen für Sparer auf breiter Front wegfallen», erwartet Oliver Maier Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. «Ein historisches Zinsphänomen geht zu Ende».
Die Europäische Zentralbank (EZB) will bei ihrer Sitzung am kommenden Donnerstag (21. Juli) angesichts der Rekord-Inflation die Leitzinsen im Euroraum um jeweils 0,25 Prozentpunkte anheben. Es wäre die erste Zinserhöhung seit elf Jahren. Im September hat die Notenbank einen weiteren – womöglich größeren Zinsschritt – in Aussicht gestellt. Noch müssen Banken 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Die Kosten dafür geben viele Geldhäuser an Kunden weiter.
Mehrere große Institute, darunter auch die Deutsche Bank haben angekündigt, die Negativzinsen für ihre Kunden entsprechend der EZB-Entscheidungen zurückzufahren. Bei vielen Banken und Sparkassen reduzieren sich die Negativzinsen Verivox zufolge bei einer Zinsanpassung ohnehin automatisch, weil sie das Verwahrentgelt ausdrücklich an den Einlagezins der EZB gekoppelt haben.
«Wenn die Zinsen künftig steigen, wird das Geschäft mit Spargeldern für die Banken wieder attraktiv. Die ersten Institute bringen sich dafür jetzt schon in Stellung», erläuterte Maier.
Negativzinswelle verliert an Dynamik
Der Auswertung zufolge haben seit Ende April bereits 34 Finanzhäuser ihre Negativzinsen komplett abgeschafft. Bei weiteren 15 Instituten wurden die Freibeträge deutlich angehoben, so dass zumindest ein Großteil der Kunden keine Negativzinsen mehr zahlen muss. Ein weiteres Institut hat die vollständige Abschaffung beschlossen, die Negativzinsen entfallen zum 1. August. Unter den Geldhäusern, die Wende eingeleitet haben, sind demnach neben Online-Banken vor allem viele regionale Institute, darunter mehrere Sparda- und PSD-Banken sowie auch Volksbanken und Sparkassen. Auch nach Einschätzung des Verbraucherportals Biallo.de verliert die Negativzinswelle an Dynamik.
Die Verwahrentgelte treffen vor allem Neukunden. Will ein Geldhaus einen Negativzins von Bestandskunden verlangen, muss es diesen mit den Betroffenen individuell vereinbaren. Verbraucherschützer halten Negativzinsen auf private Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten generell für unzulässig, egal ob bei Neukunden oder Bestandskunden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat daher Klagen gegen verschiedene Kreditinstitute erhoben.
Für Bankkunden ist das absehbare Ende der Negativzinsen eine gute Nachricht. Auch können Sparinnen und Sparer wegen der EZB-Zinswende auf steigende Zinsen für Festgeld und Co. hoffen. Allerdings nagt nun die hohe Inflation am Ersparten. Die Deutsche Bundesbank rechnet für das Gesamtjahr 2022 mit einer Inflationsrate von 7,1 Prozent in Europas größter Volkswirtschaft.
Verivox wertet im Internet die Konditionen für Tagesgeld-, Giro- und Verrechnungskonten von etwa 1300 Banken und Sparkassen aus. Da nicht alle Institute ihre Negativzinsen frei zugänglich auf ihrer Website veröffentlichen, könnte es weitere Institute geben, die Negativzinsen verlangen oder bereits abgeschafft haben.
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