Ohne großen Knall ist die erste Tarifrunde zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Donnerstag zu Ende gegangen. Eine Einigung liegt zwar noch in weiter Ferne. Doch die befürchtete Eskalation ist zunächst ausgeblieben. Anstatt einer Urabstimmung oder Warnstreiks folgen weitere Gespräche zwischen beiden Seiten bereits in der kommenden Woche. Fahrgäste können also vorerst aufatmen. Was der erste Verhandlungstag bedeutet:
Sind Streiks und Stillstand auf der Schiene nun vom Tisch?
Zumindest bis zur nächsten Verhandlungsrunde kommende Woche Donnerstag und Freitag dürfte es ruhig bleiben. Zwar bewegten sich beide Seiten am ersten Verhandlungstag inhaltlich kein Stück aufeinander zu. «Trotzdem haben wir uns entschieden, hier an dieser Stelle die Verhandlungen nächste Woche fortzusetzen», sagte Weselsky nach der ersten Verhandlungsrunde in Berlin. Vor allem, dass nun im Wochen- statt im Monatstakt verhandelt werden soll, wertete er als Erfolg der ersten Runde.
Eine vorsichtige Entwarnung gab Weselsky zudem mit Blick auf mögliche Arbeitskämpfe über die Weihnachtstage: «Die ganze Welt redet über den Weihnachtsfrieden», sagte er. «Ich kenne ihn, und zwar seit Jahrzehnten. Wenn Sie die Historie bemühen, sehen Sie auch, wer zu Weihnachten jemals gestreikt hat: Die GDL war es nie.» Doch zu konkreten Plänen äußere sich die Gewerkschaft erst, wenn es soweit sei, betonte er.
Spätestens wenn es kommende Woche auch um die konkreten Forderungen und Inhalte geht, dürfte die GDL im Ton wieder schärfer werden. «Wir werden den Druck auf den Kessel hochhalten, und wir werden am Ende des Prozesses zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, unsere Forderungen auch mit entsprechenden Streikmaßnahmen zu untersetzen», sagte der Gewerkschaftschef am Donnerstag.
Wie verlief die erste Verhandlungsrunde?
Die Bahn hatte der Gewerkschaft am Donnerstag ein erstes Angebot mitgebracht. Es beinhaltet eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten, wie der Konzern mitteilte. Das entspreche im Volumen dem Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes des Bundes. Auch die von der GDL geforderte Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro ist in der Offerte enthalten. 1500 Euro davon stellte die Bahn schon für Dezember in Aussicht.
Doch die GDL lehnte das Angebot am Donnerstag ab. «Zu wenig, zu lange und am Ende des Tages nicht ausreichend», kommentierte Weselsky den Schritt. Die Gewerkschaft fordert 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro – abzüglich eines bereits gezahlten Teils dieser steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung.
Doch vor allem auf die Kernforderung der Gewerkschaft ging die Bahn in ihrem Angebot nicht ein. Die GDL will die Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich absenken. Die Bahn hält das für nicht machbar. Zu angespannt ist aus ihrer Sicht der Arbeitsmarkt, um dafür ausreichend zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. «An unserem klaren Nein zur Arbeitszeitverkürzung hat sich nichts geändert», betonte Bahnvorstand Martin Seiler nach der ersten Runde.
Gibt es weitere Knackpunkte?
Ja. Wie schon bei vergangenen Tarifrunden der GDL ist dieser Konflikt geprägt von der Debatte um das sogenannte Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. Bei den rund 300 Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die EVG. In lediglich 18 Bahn-Unternehmen kommen derzeit die GDL-Verträge zur Anwendung. Doch aus Sicht der Lokführer-Gewerkschaft gibt es kein gesichertes Feststellungsverfahren der Mitgliederzahl in den jeweiligen Betrieben. Sie klagt deshalb in mehreren Verfahren gegen die Festlegungen des Konzerns, bei einigen bereits in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht.
Die GDL ist deshalb darum bemüht, ihren Einflussbereich bei der Bahn auszuweiten. In dieser Tarifrunde will sie auch für die Beschäftigten der Infrastruktursparte verhandeln. Die Bahn lehnt das ab. Bislang hat die GDL dort keine eigenen Tarifverträge.
Was hat es mit der neuen Genossenschaft der GDL auf sich?
Auch mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz hat die Gewerkschaft im Sommer angekündigt, eine eigene Leihfirma in Form einer Genossenschaft gründen zu wollen. Laut Weselsky ist das bereits geschehen. Derzeit liefen Einstellungsgespräche, betonte er kürzlich. Die Beschäftigten dieser Firma könnten nun zu GDL-Konditionen an die Bahn ausgeliehen werden. Auf diese Weise könnten auch in den Betrieben die GDL-Tarifverträge angewendet werden, in denen eigentlich die EVG eine Mehrheit unter den Beschäftigten hat.
Denn die Genossenschaft handelt ihre Tarifverträge nicht mit der Bahn aus, sondern mit der GDL. Ein entsprechender Haustarifvertrag sei bereits vereinbart worden, sagte Weselsky. «Die Genossenschaft ist die Lösung für diese Unverschämtheit», sagte Weselsky der «Süddeutschen Zeitung» mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz.
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