Die EU-Kommission will mit einer Reform des Strommarktes ausufernde Preise für Verbraucher vermeiden und den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. Gefördert werden sollen dafür vor allem langfristige Verträge für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und aus Atomkraft, wie aus einem am Dienstag in Straßburg vorgelegten Vorschlag der Behörde hervorgeht. Erneuerbare Energien seien der Schlüssel zur Energiesouveränität, sagte Kommissionsvize Frans Timmermans. «Wenn wir wollen, dass dieser Übergang möglichst schnell erfolgt, und dass sich das für die Verbraucher in Form niedrigerer Stromrechnungen bemerkbar macht, müssen wir unseren Markt umbauen.»
Warum die Kommission den Strommarkt reformieren will
Die Strompreise waren im vergangenen Jahr extrem gestiegen. Grund dafür war unter anderem, dass zeitweise rund die Hälfte der französischen Atomkraftwerke ausfiel. Zudem war der Anstieg eine Folge explodierender Gaspreise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Denn: Der Strommarkt in der EU funktioniert nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip. Dies bezeichnet die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkraftanlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten, also teuersten Kraftwerk – oft Gaskraftwerke.
Im vergangenen Jahr waren daher Rufe nach einer Reform des europäischen Strommarktes laut geworden. Eine ganz tiefgreifende Reform des Strommarkts inklusive Entkopplung des Strompreises vom Gaspreis ist nun allerdings nicht geplant.
Was sich für Verbraucher ändern soll
Verbraucher sollen dem Vorschlag zufolge unter anderem von langfristigen Verträgen profitieren: Um Endkunden vor starken Preisschwankungen zu schützen, soll es zu einem ein Recht auf Festpreisverträge und zum anderen auf Verträge mit dynamischen Preisen geben. So könnten Verbraucher sich sowohl für sichere, langfristige Preise als auch für Verträge mit sich verändernden Preisen entscheiden, wenn sie Preisschwankungen ausnutzen wollen – etwa um Strom zu nutzen, wenn er billiger ist für das Aufladen von Elektroautos oder für Wärmepumpen.
Zudem soll der Verbraucherschutz ausgebaut werden: So sollen die EU-Staaten nach dem Willen der Kommission bedürftige Haushalte, die in Zahlungsverzug geraten sind, künftig davor bewahren, dass ihnen der Strom abgedreht wird.
Wie erneuerbare Energien ausgebaut werden sollen
Nach den Vorstellungen der Kommission sollen Investitionen in erneuerbare Energien etwa mit speziellen Differenzverträgen (Contracts for Difference) und öffentlichen Garantien für sogenannte Power Purchase Agreements (PPA) angekurbelt werden. Letztere sind Stromabnahmevereinbarungen zwischen Energieerzeugern und gewerblichen Abnehmern und bieten somit langfristige Preisstabilität sowie dem Erzeuger die nötige Sicherheit, um eine Investitionsentscheidung zu treffen.
Mit den Differenzverträgen sollen die EU-Staaten Stromerzeugern einen Mindestpreis für Strom garantieren, wenn sie neue Investitionen tätigen. Gelten soll dies für Investitionen in erneuerbare Energien und in Kernkraft. Ist der Marktpreis geringer, gleicht der Staat die Differenz aus, um langfristig Preisstabilität für die Erzeuger zu schaffen. Wird über der in dem Vertrag festgelegten Obergrenze verdient, sollen die Endkunden davon profitieren. Diese Differenzverträge sollen die einzig erlaubten staatlichen Direkthilfen für die Energieproduktion sein. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Preise nicht in die Höhe schießen könnten, hieß es.
Wie die Reaktionen ausfallen
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte, dass die Kommission am Merit-Order-System festhält. «Das gegenwärtige Marktmodell hat der Integration des europäischen Strommarkts gute Dienste erwiesen und sollte auch weiterhin als wesentliches Element für die effektive und effiziente Preissetzung und damit für die Einsatzplanung von Erzeugungskapazitäten betrachtet werden», sagte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.
Die Energie-Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagte, dass die Differenzverträge auch Atomkraft fördern dürfen, sei kritisch zu sehen, «da Atomkraft nicht erneuerbar, zu teuer und risikoreich ist». Vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kam scharfe Kritik. «Die EU-Vorschläge gehen zu weit und greifen massiv in die Systematiken der Mitgliedstaaten ein», sagte Präsidentin Simone Peter. Die verpflichtende Einführung der vorgesehenen Differenzverträge auf EU-Ebene lehne der Verband ab.
Wie es jetzt weitergeht
Das Europäische Parlament und die Länder müssen den Vorschlag der Kommission endgültig aushandeln. Wenn sie eine gemeinsame Position gefunden haben, kann die Refom in Kraft treten.
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