Die EU-Kommission möchte Kleinanleger besser schützen. Aus ihrer Sicht fehlt es an wichtigen und leicht verständlichen Informationen für Verbraucher bei Geldanlagen. Kritisch sieht die Behörde auch, wenn Berater beim Verkauf von Finanzprodukten wie beispielsweise bei der Altersvorsorge Provisionen kassieren. Die Kleinanlegerstrategie, die die Behörde an diesem Mittwoch präsentiert, ist allerdings umstritten.
Was ist das Ziel der Kleinanlegerstrategie?
Nach einem Entwurf für die neuen Regeln von Anfang Mai, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sollen Kleinanleger in der EU bessere Anlageergebnisse erzielen können, als dies momentan der Fall ist: Derzeit seien Verbraucher unter anderem einem wachsenden Risiko ausgesetzt, etwa durch unrealistische Marketinginformationen unangemessen beeinflusst zu werden. Einige Anlageprodukte seien zudem mit ungerechtfertigt hohen Kosten verbunden.
Die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness möchte dabei vor allem Regeln für die Kaufberatung von Finanzprodukten anfassen. Mehr als in jedem anderen Bereich der Finanzdienstleistungen sei es in der Anlageberatung wichtig, Interessenkonflikte zu vermeiden, sagte sie in einer Rede Ende April. Lange wurde daher in Brüssel über ein Provisionsverbot diskutiert.
Was sind Provisionen?
Anlageberatung ist nicht umsonst: «Machen Sie sich bewusst, dass eine Anlageberatung immer etwas kostet – entweder eine eingepreiste Provision oder ein Honorar», erläutert die Finanzaufsicht Bafin. Kreditinstitute und Versicherer zahlen für den Vertrieb zum Beispiel von Fondsanteilen oder Lebensversicherungen Anlageberatern eine Provision. Die Provision wird aus der Anlagesumme oder den daraus erwirtschafteten Erträgen finanziert, der Kunde zahlt also indirekt.
Eine Alternative ist die Honorarberatung. Hier bezahlt der Kunde für die Beratungsleistung an sich, beispielsweise nach Zeitaufwand oder pauschal vereinbart – allerdings auch dann, wenn der Anleger am Ende gegen die Empfehlung des Beraters entscheidet.
Was könnte die Kommission vorschlagen?
Es wird erwartet, dass die Kommission erst einmal kein vollständiges Provisionsverbot vorschlägt. In dem Gesetzentwurf der Brüsseler Behörde ist lediglich ein Verbot von Provisionen bei bestimmten Käufen ohne Beratung vorgesehen.
Dem Entwurf von Anfang Mai zufolge hätte ein vollständiges Verbot «erhebliche und plötzliche Auswirkungen auf bestehende Vertriebssysteme mit schwer vorhersehbaren Folgen». Drei Jahre nach Annahme der Vorschläge wolle die Kommission aber den Erfolg überprüfen und gegebenenfalls strengere Maßnahmen vorschlagen.
Wie sieht die Finanzbranche die Pläne?
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hatte bereits kritisiert, das Ziel der Kommission, breite Bevölkerungsschichten an die Finanzmärkte zu bringen und ihnen den Vermögensaufbau zu erleichtern, werde nur teilweise erreicht. Generell hatte sich die Finanzbranche gegen einen Wechsel ausschließlich zur Honorarberatung ausgesprochen.
Vor allem Verbraucher mit geringen und mittleren Anlagebeträgen würden so von der Beratung abgeschnitten, da sie zu teuer wäre, argumentiert die Deutsche Kreditwirtschaft, in der die fünf großen Bankenverbände organisiert sind. Auch Deutschlands oberster Versicherungsaufseher Frank Grund bekräftigte unlängst, die Bafin sei immer skeptisch gegenüber einem Provisionsverbot gewesen. Zumindest «komplexere Altersvorsorgeregelungen» erforderten eine angemessene Beratung, die auch entsprechend bezahlt werden müsse.
Was fordern Verbraucherschützer?
Aus Sicht von Verbraucherschützern entsteht durch Provisionen dagegen ein Interessenkonflikt, der zur Empfehlung teurer oder unpassender Anlagen führen kann. «Nach allem was wir wissen, hat die Kommission gravierende Probleme bei der Vermittlung von Anlageprodukten identifiziert», sagte Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). «Es ist extrem enttäuschend, dass sich die Kommission dennoch nicht auf die Seite von Verbrauchern gestellt hat und auf Druck der Finanzlobby offensichtlich kein allgemeines Provisionsverbot vorgeschlagen will.»
Diskutierte Maßnahmen wie eine verschärfte Geeignetheitsprüfung und gute Qualifikation der Vermittler oder eine sogenannte Kostenbenchmark, um die Kosten zu senken, seien zwar sinnvoll. «Das Problem des Interessenskonflikts aufgrund der Provisionen würde damit jedoch nicht an der Wurzel gepackt», sagte die Leiterin des Teams Finanzmarkt beim vzbv.
Wird alles so umgesetzt, wie die Kommission sich das vorstellt?
Das ist sehr unwahrscheinlich. Die Vorschläge der Kommission müssen nach der Vorlage sowohl vom Europäischen Parlament als auch von den EU-Ländern beraten werden. Das Parlament muss eine gemeinsame Position finden und auch die EU-Staaten müssen sich auf einen Kompromiss einigen. Anschließend verhandeln dann Parlament und die Länder. Erst wenn sich hier geeinigt wurde, können die neuen Regeln in Kraft treten. Erfahrungsgemäß dauert das mindestens mehrere Monate.
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