Die umstrittenen Subventionen für Agrardiesel sind aus Sicht eines Agrarökonomen nicht mehr zeitgemäß. «Wenn man den landwirtschaftlichen Betrieben helfen will, muss man andere Wege finden, die gezielter sind», sagte der Agrarwissenschaftler Stephan von Cramon-Taubadel von der Universität Göttingen.
Das System der Subventionen müsse grundsätzlich geändert werden, forderte von Cramer-Taubadel. «Es fehlt ein größeres Konzept für eine sinnvolle nachhaltigkeitsgesteuerte Unterstützung des Agrarsektors», kritisierte der Wissenschaftler. Wenn es um Einkommensstützung gehe, müsse man die Betriebe mit Einkommensproblemen finden, die man erhalten wolle, und ihnen gezielt helfen. Oder man müsse gezielt für Umweltleistungen Geld ausgeben und die Landwirte honorieren, die diese Leistungen erbringen. Subventionen, die sich nach der Größe der Fläche richteten, seien nicht mehr zeitgemäß. «Es ist aus der Zeit gefallen, mehr Subventionen zu zahlen, umso mehr Diesel jemand verbraucht.»
Die Politik in Deutschland müsse aber auch erkennen, dass die Weichen für die Agrarpolitik in Brüssel gestellt würden. Statt auf extrahohe deutsche Standards bei Umweltauflagen oder der Tierhaltung zu setzen, müsse es darum gehen, auf eine europaweite Harmonisierung der Regeln hinzuwirken. Das bedeute auch zu akzeptieren, wenn die eigenen Maximalforderungen sich nicht europaweit durchsetzen ließen. Nur so funktioniere ein gemeinsamer Markt, sagte von Cramer-Taubadel.
Die Bundesregierung will unter anderem die steuerliche Begünstigung von Agrardiesel beenden. Die Landwirte befürchten hohe finanzielle Belastungen. Bei der Dieselverbilligung und der Befreiung von der KFZ-Steuer handele es sich zusammen um eine Summe von rund einer Milliarde Euro. Laut Statistik gebe es derzeit rund 250.000 Betriebe, was rechnerisch im Durchschnitt zu einer Belastung von 4000 Euro pro Betrieb führe, sagte von Cramon-Taubadel. «Natürlich sind die Betriebe sehr heterogen – einige große Ackerbaubetriebe mit vielen Fahrzeugen werden deutlich mehr als 4000 Euro verlieren, aber dafür viele kleinere, zum Beispiel mit Vieh und wenig Fläche, deutlich weniger», sagte der Wissenschaftler.
Frust, Herausforderungen und Unsicherheit
Die meisten großen Ackerbaubetriebe hätten in den vergangenen Jahren dank der hohen Preise recht erfolgreich wirtschaften können. Es sei aber völlig klar, dass es auch einige Härtefälle geben werde. «Ich habe den Eindruck, dass es weniger um die tatsächliche Summe pro Betrieb geht derzeit – es entlädt sich sehr viel Frust in einer Branche, die vor großen Herausforderungen und viel Unsicherheit steht, die sehr politikabhängig ist, aber von der Politik keine klare Signale erhält», sagte von Cramon-Taubadel.
So habe eine Expertenkommission errechnet, dass zum Beispiel der gesellschaftlich geforderte Umbau der Tierhaltung pro Jahr Kosten von vier Milliarden Euro verursacht, die die Landwirte alleine nicht stemmen können. «Die Landwirte nehmen die Kritik an und wollen nachhaltiger werden, am Ende wird von der Politik aber nichts umgesetzt, und jetzt kriegen sie auch noch eine Kürzung», sagte von Cramer-Taubadel.
Viele Landwirte seien bemüht, umweltfreundlicher zu werden, aber das gehe nicht zum Nulltarif. «Und jetzt kommt der Staat und liefert aus Sicht der Landwirtschaft nicht die Hilfen, die notwendig wären, stattdessen setzt er jetzt noch eins obendrauf – auch wenn es nüchtern betrachtet nicht so eine große Sache ist und die Reform dieser Subvention eigentlich überfällig ist», sagte von Cramer-Taubadel.
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