Werden ganze Straßenzüge oder Stadtteile an das Fernwärmenetz angeschlossen, sollen Hausbesitzer beim Heizungstausch keine Wärmepumpe einbauen müssen. Das geht laut einem Bericht der «Augsburger Allgemeinen» aus einer Beschlussvorlage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für ein Treffen mit Kommunen und Branchenvertretern an diesem Montag in Berlin hervor. Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) erwarten von dem Treffen ein «deutliches Aufbruchssignal» für den klimaneutralen Um- und Ausbau der Fernwärmeversorgung, wie es vorab hieß.
Fernwärme ist Wärme, die nicht im Wohnhaus erzeugt wird, sondern aus einem Kraft- oder Heizwerk in der Umgebung kommt. Meistens wird dort Wasser erhitzt, das dann durch isolierte Rohre in die Häuser geleitet wird. Etwa jede siebte Wohnung in Deutschland wird mit Fernwärme beheizt, 2020 lag die Trassenlänge bei mehr als 31.000 Kilometern. Die Energie stammt zurzeit zu rund 70 Prozent aus klimaschädlichen, fossilen Energieträgern, also vor allem Kohle und Gas.
Geywitz sagte im n-tv-«Frühstart», wenn klar sei, dass jemand innerhalb der nächsten fünf bis acht Jahre an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden könne, «dann kann der so lange natürlich auch weiter heizen wie bisher und weiß: Wenn die Heizung dann eines Tages kaputt ist, muss man sich nicht individuell eine Lösung suchen, sondern dann kann man sich an die Fernwärme anschließen.» Zu den Ausbauplänen sagte die SPD-Politikerin: «Das Ziel ist erstmal, 100.000 Haushalte pro Jahr zusätzlich anzuschließen.»
Stadtwerkeverband sieht noch Hürden
Der Stadtwerkeverband VKU sieht noch Hürden für einen Ausbau. Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing fordert unter anderem eine längere, milliardenschwere staatliche Förderung. «Ich erwarte vom Fernwärmegipfel einen wesentlichen Impuls und konkrete Vorschläge.» Die Fernwärme solle und werde einen wesentlichen Beitrag dazu leisten müssen, insgesamt die Wärmewende hinzubekommen. Es dürfe keine Fokussierung nur auf die Wärmepumpe geben. «Sie wird, das wissen auch alle, bei realistischer Betrachtung nur eine Lösung sein.»
Die Bundesregierung plant zum einen eine Reform des Gebäudeenergiegesetzes – das sogenannte Heizungsgesetz – sowie eine Reform der kommunalen Wärmeplanung. Laut Gesetzentwurf sollen Länder und Kommunen in den kommenden Jahren konkrete Pläne vorlegen, wie sie ihre Heizinfrastruktur klimaneutral umbauen wollen. Dies soll Bürgern eine wichtige Orientierung geben, indem sie erfahren, ob ihr Haus bald an ein Fern- oder Nahwärmenetz angeschlossen wird – oder sie ihre Heizung absehbar auf eine Wärmepumpe oder andere Optionen umrüsten sollten.
«Es muss eine Verzahnung des Gebäudeenergiegesetzes mit der kommunalen Wärmeplanung geben», sagte Liebing. «Am Ende wird über den Ausbau der Fernwärme vor Ort entschieden – durch die Versorger und durch die Kommunen, die Klarheit für die Kunden und für die Netzbetreiber schaffen müssen. Wo sehen sie Potenzial für Fernwärme, wo weniger? Wo geht es eher über elektrische Lösungen? Oder wo geht es vielleicht auch durch die Umstellung von Gas- auf Wasserstoffnetz?»
Verband: Langfristige Förderung notwendig
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sehe ein Potenzial der Verdopplung bis Verdreifachung in der Fernwärme, sagte Liebing. «Aber das braucht Zeit, und es sind kapitalintensive Projekte. Deswegen wird es auch um Finanzierungsfragen gehen». Die Bundesförderung für Wärmenetze laufe 2026 aus. Eine langfristige Förderung sei notwendig.
Bisher seien bis 2026 insgesamt drei Milliarden Euro im Topf. «Diese drei Milliarden Euro brauchen wir aber bis in die Mitte der 30er Jahre jährlich an staatlicher Förderung.»
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, forderte in der «Rheinischen Post» (Montag) ebenfalls eine Verzahnung der kommunalen Wärmeplanung mit dem Gebäudeenergiegesetz. «Gleichzeitig müsste über die Länder geregelt werden, dass bei der Etablierung eines Nah- oder Fernwärmenetzes im Regelfall auch ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, um die Wirtschaftlichkeit der Systeme zu sichern», sagte Landsberg.
Die Deutsche Umwelthilfe forderte verbindliche Ziele für die Umstellung der Fernwärme weg von Kohle und Gas. Der Anteil von 50 Prozent erneuerbarer Wärme beziehungsweise unvermeidbarer Abwärme müsse für alle Wärmenetze bis 2030 verpflichtend werden. Sonst berge ein Ausbau «die Gefahr massiver Fehlinvestitionen».
Der Vize-Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Achim Dercks, sagte der dpa: «Viele Betriebe sehen in der Fernwärme eine Chance für die klimafreundliche Versorgung ihrer Gebäude oder ganzer Gewerbegebiete.» Darum sei es richtig, den Aus- und Umbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung stärker in den Fokus zu nehmen. «Wie uns die Rückmeldungen aus den Unternehmen vor Ort zeigen, hängt die Akzeptanz dafür aber an wichtigen Voraussetzungen: Im Zentrum stehen dabei wettbewerbsfähige und langfristig kalkulierbare Preise.»
Verbraucherzentralen fordern mehr Transparenz
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht Fernwärme als «zentralen Baustein für eine erfolgreiche Wärmewende». Das gelte nicht nur für Städte, sondern biete auch Potenziale im ländlichen Raum, sagte Kerstin Andreae, die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, der «Rheinischen Post» (Montag). Aus Sicht der Energiewirtschaft sei ein stabiler, planungssicherer und auskömmlicher Förderrahmen notwendig.
Die Verbraucherzentralen fordern mehr Transparenz auf dem Fernwärmemarkt. Wärmenetze seien ein Markt, «wo die Anbieter praktisch unregulierte Monopole haben», sagte Verbandschefin Ramona Pop den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
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