Im Streit um die weitere Finanzierung des erfolgreichen 49-Euro-Deutschlandtickets sind die Fronten zwischen Bund und Ländern verhärtet. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt neue Gespräche mit den Ländern über zusätzliche Bundesgelder für das Deutschlandticket ab. Die Teilnahme an einer digitalen Sonderkonferenz der Verkehrsministerinnen und -minister der Länder sagte Wissing ab. Sein Ministerium soll aber in der Runde vertreten sein.
Finanzfragen seien bis 2025 im Rahmen einer Ministerpräsidentenkonferenz geklärt worden, verbunden auch mit der Vereinbarung, 2025 über weitere Finanzierung und Struktur des Deutschlandtickets zu sprechen, sagte der FDP-Politiker in der ntv-Sendung «Frühstart» am Donnerstag. «Und jetzt haben wir 2023.»
Auch in der «Rheinischen Post» kam Wissing den Ländern nicht entgegen. «Es gibt einen klaren Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zu den Finanzierungsfragen des Deutschlandtickets. Ich bin deshalb sehr erstaunt darüber, dass behauptet wird, es gebe bis 2025 noch offene Fragen», sagte er. Aus Sicht des Bundes gebe es «keinen Anlass, das erfolgreiche Deutschlandticket in Frage zu stellen».
Seit dem 1. Mai kann man mit dem D-Ticket in Bussen und Bahnen im bundesweiten Nahverkehr für 49 Euro im Monat fahren – mit einem digital buchbaren, monatlich kündbaren Abonnement. NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, der aktuell Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz ist, hatte vor einem Aus des Angebots gewarnt. Wenn nicht sehr zeitnah eine Lösung gefunden werde, dann werde das erfolgreiche Ticketmodell «ganz schnell wieder Geschichte», hatte der Grünen-Politiker gesagt.
«Nachschusspflicht» umstritten
Bund und Länder schießen nach einer grundsätzlichen Verabredung bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zu. Umstritten sind aber die möglichen Mehrkosten des Tickets. Im ersten Jahr sollen die Mehrkosten noch zur Hälfte geteilt werden – diese «Nachschusspflicht» aber ist ab 2024 offen.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen rechnet mit Mehrkosten für das Deutschlandticket in Höhe von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2024. Krischer hatte gesagt, die Länder seien bereit, Mehrkosten hälftig zu zahlen. Vom Bund sei aber bisher kein klares Signal gekommen.
Wissing sagte nun bei ntv, die Bundesländer sollten sich lieber an die nötigen Strukturveränderungen machen, statt Finanzdiskussionen zu führen. Mehr als 60 Verkehrsverbünde in Deutschland seien viel zu viel, die Länder hätten hier einiges zu tun.
Scharfe Kritik von mehreren Seiten
Verbände und Gewerkschaften fordern eine dauerhafte verlässliche Finanzierung des Deutschlandtickets. «Wir können es uns nicht leisten, nun jedes Jahr den Eiertanz zu wiederholen, den es bei der Einführung um die Finanzierung gegeben hat», sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. «Wenn die Politik hier über Wochen hinweg laviert, führt das zu Verunsicherung und Stillstand im ÖPNV.»
Nach Ansicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) muss die Finanzierung gesichert werden, damit das Deutschlandticket langfristig Erfolg hat und mehr Menschen den Nahverkehr nutzen. «Das Deutschlandticket ist ein Meilenstein für den öffentlichen Nahverkehr», sagte vzbv-Vorstand Ramona Pop. Mit dem neuen Ticket sei die Nutzung von Bus und Bahn «so einfach wie nie», und die meisten Verbraucher seien deutlich günstiger unterwegs. Die Diskussionen um die Finanzierung sorgten aber für Verunsicherung. Pop sprach sich gegen eine mögliche Preissteigerung aus. «Eine Preissteigerung vom gerade eingeführten Deutschlandticket für 49 Euro ist inakzeptabel.»
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte Wissing. «Mit dieser fatalen Hängepartie setzt Volker Wissing den einzigen Erfolg aufs Spiel, den der Verkehrsminister nach zwei Jahren beim Klimaschutz vorzuweisen hat.»
Die Organisation Campact und der Verkehrsclub VCD bezeichneten das Deutschlandticket als einen zentralen Schritt hin zu einer sozialen und ökologischen Mobilität. «Statt das Geld nur in Autobahnen zu versenken, muss Wissing endlich die Zukunft des Bus- und Bahnfahrens sichern.» Spätestens bis zur regulären Verkehrsministerkonferenz am 11. und 12. Oktober in Köln müsse Wissing das Geld für 2024 zusagen.
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