Deutschlands strauchelnder Gasimporteur Uniper steht vor einer milliardenschweren Rettung durch den Bund. Nachdem der Bundesrat am Freitag die Novelle des Energiesicherungsgesetzes gebilligt hatte, stellte Uniper einen Antrag auf staatliche Stabilisierungsmaßnahmen.
«Uniper erfährt tägliche Mittelabflüsse im mittleren zweistelligen Millionenbereich – eine Situation, die für uns nicht länger durchhaltbar ist», sagte der Firmenchef Klaus-Dieter Maubach vor Journalisten in Düsseldorf. Die Verhandlungen zwischen dem Bund, Uniper und dem finnischen Großaktionär Fortum gehen weiter. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicherte Uniper Hilfe zu.
Uniper spielt eine zentrale Rolle für die deutsche Energieversorgung und beliefert mehr als hundert Stadtwerke und Industriefirmen. Der größte deutsche Gasimporteur steht nach der starken Drosselung russischer Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 schwer unter Druck. Die Firma muss teures Gas einkaufen, um Verträge mit seinen Kunden bedienen zu können. Bisher kann Uniper die Mehrkosten nicht an seine Kunden weitergeben, das ändert sich aller Voraussicht nach bald auf Grundlage der Gesetzesänderung.
Allerdings ist noch unklar, ob der Importeur die Mehrkosten an seine Kunden weiterreichen darf oder ob er über ein Umlagesystem, das die Allgemeinheit zahlt, mehr Geld bekommt und seine knappen Kassen etwas füllen kann.
Gaspreise könnten schneller steigen
Die Gaspreise für Verbraucher steigen schon seit langem. Diese Entwicklung dürfte sich bald aber beschleunigen, wenn die Importeure ihre Kosten weiterreichen können und im letzten Schritt auch die Verbraucher kräftig zur Kasse gebeten werden. Uniper-Chef Maubach sagte mit Blick auf die allgemeine Entwicklung am Gasmarkt: «Es kommt eine sehr, sehr große, hohe Preiswelle auf die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher zu.»
Mit Blick auf die Preisentwicklung für die Endkunden warnte der Verbraucherzentrale Bundesverband vor explodierenden Preisen und forderte weitere Entlastungspakete für die Bürgerinnen und Bürger.
Der Uniper-Hauptaktionär Fortum, der rund 80 Prozent des Grundkapitals hält, schlug eine Restrukturierung Unipers vor – mit dem Ziel, eine Versorgungssicherheitsgesellschaft im Eigentum des Bundes zu gründen. Details hierzu wurden nicht bekannt.
Scholz und Habeck sichern Unterstützung zu
Kanzler Scholz sowie Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sicherten Uniper unterdessen staatliche Unterstützung zu. «Wir haben uns auf alle Fälle politisch entschieden, dass wir Uniper helfen werden. Darauf kann sich das Unternehmen, darauf kann sich die Belegschaft, aber darauf können sich auch alle in Deutschland verlassen, die wissen, dass das ein Unternehmen ist, das für die Versorgung großer Teile der Wirtschaft und vieler Verbraucherinnen und Verbraucher eine große Bedeutung hat», sagte Scholz in München nach einem Treffen mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft.
Habeck betonte: «Wir werden nicht zulassen, dass ein systemrelevantes Unternehmen in Insolvenz geht und infolgedessen der globale Energiemarkt in Turbulenzen gerät.» Die Bundesregierung werde die Option wählen, die für den deutschen Steuerzahler die beste und günstigste und für die Versorgungssicherheit die sicherste sei.
Uniper-Chef optimistisch
«Wir stehen nicht kurz vor einer Pleite», sagte Uniper-Chef Maubach in Düsseldorf und zeigte sich optimistisch, dass die Firma die derzeitige Schieflage dank der neuen gesetzlichen Möglichkeiten überwinden werde.
Eine Entscheidung für konkrete Maßnahmen der Bundesregierung bei Uniper gibt es noch nicht, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Ein milliardenschwerer Einstieg des Bundes Uniper über eine Beteiligung beim Eigenkapital sei möglich. Denkbar sei aber auch ein Mix mit der Möglichkeit, dass Uniper hohe Preissteigerungen beim Gaseinkauf an die Kunden weitergebe.
Die Probleme auf dem Gasmarkt könnten sich noch verschärfen. Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten von Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.
Um Gas einzusparen, soll auf Basis der Gesetzesnovelle weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen sollen Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen, die gegenwärtig nur eingeschränkt verfügbar sind, vor der Stilllegung stehen oder sich in der Reserve befinden. Oberste Priorität für die Bundesregierung hat es, dass die Gasspeicher zum Winter hin voll sind. Laut Netzagentur liegen die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland bei 63,2 Prozent.
«Scharfes Schwert» nur mit Bedacht ziehen
Habeck sagte, das geänderte Energiesicherungsgesetz gebe der Bundesregierung weitreichende Möglichkeiten, um in Marktmechanismen einzugreifen, aber auch in die Gewohnheiten der Menschen. Er sprach von einem «scharfen Schwert», das nur mit Bedacht gezogen werden dürfe. Durch die nun beschlossenen gesetzlichen Änderungen kann die Bundesregierung außerdem – falls erforderlich – Maßnahmen zum Energiesparen verordnen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht Deutschland aktuell nicht in einer Gas-Mangellage, wie er am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner» sagte. Es sei auch «nicht ausgemacht», dass es dazu komme. «Es wäre nur völlig unverantwortlich, sie nicht als Möglichkeit in den Blick zu nehmen und sich darauf vorzubereiten», betonte der SPD-Politiker. Für den Fall, dass sie eintrete, bereite man sich beispielsweise auf eine priorisierte Energieverteilung vor. Scholz stellte den Bürgern weitere Entlastungen in Aussicht, sagte aber zugleich: «Wir werden nicht alle Preise runtersubventionieren können.» Das könne kein Staat der Welt.
Im Bundesrat sagte Habeck, die Möglichkeit, Gaskraftwerke aus dem Markt zu drängen, damit mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen, sei ein klimapolitischer Rückschritt. Dieser sei aber geboten, um den Gasverbrauch zu verringern. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte mit Blick auf klimaschädliche Kohlekraftwerke: «Dieser Punkt schmerzt natürlich sehr, aber wir sind in einer Notsituation. Wenn es brennt, fragt man ja auch nicht, woher das Löschwasser kommt, sondern löscht.»
Das Wirtschaftsministerium hatte bereits deutlich gemacht, an einem früheren Kohleausstieg festhalten zu wollen. Die Ampel-Koalition strebt diesen bis 2030 an statt wie bisher spätestens 2038.
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