Im Streit um eine mutmaßlich unfaire Preispolitik des russischen Gasriesen Gazprom muss der polnische Großhändler PGNIG vor dem Gericht der EU eine Niederlage hinnehmen, erringt aber auch einen Sieg.
Die Richter entschieden am Mittwoch in einem Fall, dass eine Klage gegen einen Beschluss der EU-Kommission zugunsten von Gazprom abgewiesen wird. Eine PGNIG-Beschwerde gegen aus Sicht des Händlers missbräuchliche Praktiken des russischen Staatskonzerns hätte die Brüsseler Behörde jedoch nicht abweisen dürfen, so das Gericht. Gegen die Entscheidungen kann noch Einspruch beim EuGH eingelegt werden.
Milliardenstrafe umgangen
Hintergrund der Urteile sind zwei ältere Fälle. Zum einen hatte die EU-Kommission Gazprom im April 2015 mitgeteilt, dass der russische Konzern ihrer Auffassung nach seine marktbeherrschende Stellung als Lieferant für die drei Baltenstaaten Estland, Lettland und Litauen sowie für Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Bulgarien rechtswidrig ausnutze. Rund drei Jahre später einigten sich die Kommission und Gazprom auf einen Kompromiss. Gazprom versprach, bestimmte Zusagen für acht Jahre umzusetzen und umging damit wohl einer Milliardenstrafe.
Der Konzern verpflichtete sich unter anderem, dass Großhändler und Kunden erworbenes Erdgas in andere Länder weiterverkaufen können. Teil des Deals war auch ein Versprechen von Gazprom, Vorteile, die es wegen seiner Marktposition bei der Gasinfrastruktur von Kunden erlangt haben könnte, nicht zu nutzen. Der polnischen Erdölbergbau und Gas Aktiengesellschaft (PGNIG) ging der Beschluss jedoch nicht weit genug und klagte – wie sich nun herausgestellt hat erfolglos – gegen diesen Kompromiss.
Ball wieder im Feld der Kommission
Zum anderen hatte PGNIG sich 2017, parallel zu dem anderen Verfahren, bei der EU-Kommission beschwert, Gazprom missbrauche seine beherrschende Stellung auf dem polnischen Gasmarkt. Zwei Jahre später wurde die Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde nun für nichtig erklärt. Unter anderem habe es die EU-Kommission versäumt, der Klägerin bei der Zurückweisung alle relevanten Informationen mitzuteilen. Damit liegt der Ball wieder im Feld der Kommission, die nun entscheiden muss, welche Schlüsse sie aus dem Urteil zieht. «Wir hoffen, dass die Kommission das heutige Urteil zum Anlass nehmen wird, entschieden gegen die Wettbewerbsverstöße von Gazprom vorzugehen», sagte der PGNIG-Vorstandsvorsitzende Pawel Majewski laut Mitteilung.
Die Urteile haben eine besondere Brisanz, da Gazprom auch jüngst vorgeworfen wurde, Gaspreise künstlich in die Höhe zu treiben. Länder wie Polen beklagen, der russische Konzern liefere trotz der hohen Energiepreise nur wenig Gas in die EU. Im vergangenen Jahr stiegen die Energiepreise rasant, zuletzt war Gas ungefähr vier Mal so teuer wie vor einem Jahr. Nach Angaben der EU-Kommission erfüllt Gazprom zwar alle vertraglichen Verpflichtungen, liefert darüber hinaus jedoch trotz der hohen Nachfrage kein weiteres Gas. Die Kommission hat daher eine Untersuchung möglicher wettbewerbswidriger Aktivitäten gestartet, der Ausgang steht noch aus. Der russische Präsident Wladimir Putin und Gazprom weisen Vorwürfe der Marktmanipulation zurück.
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