Für Fahrgäste der Deutschen Bahn ist nach dem Ausstand der Lokführergewerkschaft GDL die Streikgefahr nicht gebannt. GDL-Chef Claus Weselsky stellte am Mittwoch weitere Arbeitskämpfe in Aussicht, sollte die Bahn kein verbessertes Tarifangebot vorlegen.
Vorerst aber fährt die Bahn nach Plan. Der zweite Streik in diesem Monat ging in der Nacht zu Mittwoch zu Ende. Unterdessen kündigte der Bahn-Vorstand an, wegen der schwierigen Finanzlage auf seine Boni zu verzichten. Neue Verhandlungen im Tarifkonflikt sind indes nicht in Sicht.
«Der Bahnverkehr ist am Morgen nach Ende des GDL-Streiks weitgehend normal gestartet», teilte die Bahn mit. «Die Bahnhöfe füllen sich, die Züge füllen sich.» Im Fern- und im Regionalverkehr sowie bei den S-Bahnen sollte wieder das komplette Fahrplanangebot gelten.
Die Bewertungen des Streiks gingen auseinander. «Die GDL-Spitze hat auch beim zweiten Streik ihr eigentliches Streikziel nicht erreicht, nämlich ihren Einflussbereich auszudehnen», sagte ein Bahnsprecher. In der Instandhaltung, in Werkstätten und Infrastrukturbetrieben hätten nur sehr wenige Beschäftigte die Arbeit niederlegt.
Nach Zahlen der Bahn hatten sich insgesamt knapp 8500 Beschäftigte an dem Ausstand beteiligt. Die GDL sprach am Mittwoch von mehr als 10 000 Streikenden während des gesamten Zeitraums des Arbeitskampfes.
GDL-Chef Weselsky wertete die zweite Runde im Arbeitskampf als Erfolg. «Der Arbeitgeber wäre gut beraten, die GDL nicht weiter herauszufordern und die Auswirkungen klein zu reden.»
In jedem Fall reichte die Zahl aus, um rund 70 Prozent des Fern- sowie 60 Prozent des Regionalverkehrs in Deutschland lahmzulegen. Im Osten fielen nach Bahn-Angaben sogar mehr als 80 Prozent der Züge aus. Die GDL drohte mit weiteren Streiks: «Der Stillstand bei der Angebotsverbesserung führte bereits zwei Mal zum Stillstand der Züge in Deutschland und wird es weiterhin tun», teilte die Gewerkschaft mit.
Dabei liegen beide Seiten mit Blick auf das Geld gar nicht so weit auseinander. Die Gewerkschaft fordert, Löhne und Gehälter schrittweise um insgesamt 3,2 Prozent zu erhöhen, außerdem eine Corona-Prämie von 600 Euro. Die Bahn hat ebenfalls 3,2 Prozent angeboten, will die Tarifstufen aber über einen längeren Zeitraum strecken. Eine Corona-Prämie hatte der Konzern am vergangenen Sonntag erneut in Aussicht gestellt, dabei aber keine konkrete Summe gnannt.
Umstrittener sind hingegen Fragen zur Form der Betriebsrente sowie zu Boni-Zahlungen für Vorstand und Führungskräfte. Angesichts der hohen finanziellen Schäden des Konzerns aufgrund der Corona-Krise verlangen sowohl die GDL als auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) von der Führungsebene, ebenfalls den Gürtel enger zu schnallen.
Rund 18.000 Beschäftigte der Bahn erhalten variable Vergütungsbestandteile wie Jahresabschlussleistungen und Erfolgsbeteiligungen, nicht nur Top-Manager. Für viele von ihnen ist das eine tarifliche Leistung.
Unabhängig von den Forderungen der Gewerkschaft wurde am Mittwoch bekannt, dass Bahnchef Richard Lutz und die übrigen Konzernvorstände auf Boni für das Jahr 2021 verzichten. Das geht aus einem Schreiben des Vorstands an Aufsichtsratschef Michael Odenwald hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die Topmanager kommen damit einer Forderung des Bundestagshaushaltsausschusses nach. Die Parlamentarier hatten den Verzicht im Gegenzug für geplante Milliardenhilfen für die Bahn verlangt. Auch für 2020 hatte es einen solchen Verzicht gegeben.
Im November hatte die Bahn angekündigt, auch die Bezüge von rund 5500 leitenden Angestellten und außertariflich Beschäftigten in diesem Jahr nicht zu erhöhen; diese Mitarbeiter erhalten einen Teil ihrer Bezüge in Form einer Erfolgsbeteiligung. Insgesamt ließen sich damit laut Konzernvorstand in diesem Jahr 180 Millionen Euro einsparen, im Vorjahr 194 Millionen Euro.
EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel nannte den Boni-Verzicht des Konzernvorstands einen Schritt in die richtige Richtung. Es müssten aber alle Vorstände und Geschäftsführungen auf ihre variablen Vergütungen verzichten. «Das gesamte System der variablen und leistungsabhängigen Bezahlung muss gründlich überarbeitet werden.»
Die GDL rivalisiert mit der größeren EVG um Mitglieder und sieht ihren Einfluss vor allem durch das Tarifeinheitsgesetz gefährdet. Dieses sieht vor, dass in Unternehmen nur Tarifverträge der mitgliederstärkeren Gewerkschaft angewendet wird. Aus Sicht der Bahn ist das in einem Großteil der rund 300 Betriebe die EVG. Die GDL zweifelt das in mehreren Fällen an und geht gerichtlich gegen diese Festlegung vor.
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