24. November 2024

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Gesamtmetall-Chef Wolf: Loskommen von China nahezu unmöglich

Wie kam es zu der Abhängigkeit von Russland bei Energie? Auch die Industrie war zu «blauäugig», räumt Stefan Wolf ein und verspricht Besserung. Doch bei einem Wirtschaftskrieg mit China sieht er schwarz.

Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, hält es für nahezu unmöglich, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China kurzfristig zu verringern. «Das ist gar nicht vorstellbar», sagte Wolf der Deutschen Presse-Agentur. Hintergrund sind Forderungen, wegen der chinesischen Drohgebärden gegenüber Taiwan und Berichten über massive Menschenrechtsverletzungen die Wirtschaftsbeziehungen mit China zu überdenken.

Die Abhängigkeit sei «immens», sagte der Gesamtmetallchef. «Auch die Handelsbeziehungen mit China sind ja völlig anders als die mit Russland.» Die Industrie wäre bei einem Wirtschaftskrieg des Westens mit China an vielen Stellen lahmgelegt. «Stellen Sie sich mal vor, wir schneiden plötzlich alles ab, was heute aus China nach Europa kommt. Das ist unvorstellbar.»

Hinzu komme, dass 50 Prozent der Halbleiter aus Taiwan geliefert würden. Es sei für die deutsche Wirtschaft quasi unmöglich, sich auf einen solchen Konflikt mit China vorzubereiten. «Darauf kann man sich nicht einstellen. Sie können jetzt nicht plötzlich anfangen, alles was aus China kommt, zu verlagern.» Wolf sagte weiter: «Wenn ich mir überlege, was alles aus China kommt, an Unmengen von Teilen, an Fertigprodukten.» Es werde häufig gesagt: «Was wir heute aus China alles beziehen, das beziehen wir dann halt woanders her. Ja, woher denn?» Zudem betrieben deutsche Firmen viele Fabriken in China. Auch hier gebe es oft die Forderung, diese zu verlagern. «Das würde ja bedeuten, dass große Produktionskapazitäten auf dieser Welt leer stehen und ungenutzt sind. Das ist völlig illusorisch.»

«Aus meiner Sicht ist dieses Thema fast unlösbar»

Der 60 Jahre alte Verbandschef warnte auch vor den Folgen für die Weltwirtschaft, die besonders die Deutschen zu spüren bekämen. Das Problem sei: «Bei einer Taiwan-Krise würden aus meiner Sicht sofort die USA in irgendeiner Form eingreifen, was sie ja bei Russland nicht gemacht haben. Wir haben dann ein großes Problem in Deutschland.» Er ist überzeugt: «Die Amerikaner werden sagen: Diejenigen, die noch mit China Geschäfte machen, machen mit USA keine Geschäfte mehr. Das heißt, wir müssten uns dann für einen Markt entscheiden. Wolf sagte weiter: «Aus meiner Sicht ist dieses Thema fast unlösbar, weil wir eigentlich nicht für den chinesischen Markt den US-Markt aufgeben können. Und umgekehrt auch nicht.» Peking sieht Taiwan als Teil der Volksrepublik an.

Der Chef des Autozulieferers ElringKlinger aus Baden-Württemberg setzt darauf, dass die Chinesen vor einem Wirtschaftskrieg mit dem Westen zurückschrecken. «Die Chinesen wissen ganz genau, dass ihre Volkswirtschaft massiv abhängt von Europa und von den USA. Die Volkswirtschaften sind so eng verbunden miteinander, und China ist um ein Vielfaches abhängiger von Europa und von den USA, als es Russland ist.» China müsse eine «Rieseninteresse» daran haben, diese Handelswege offen zu lassen. Sonst drohe ein Kollaps: «In der Konstellation würde unsere Weltwirtschaft komplett durcheinanderkommen. Ich wüsste gar nicht, wie das zu lösen wäre.»

«Man hat diese ganzen geopolitischen Risiken nicht gesehen»

Allerdings sei auch der Konflikt mit Russland bis vor kurzem so nicht absehbar gewesen. Auch die deutsche Wirtschaft habe gedacht, es werde mit den russischen Energielieferungen immer so weitergehen. «Das war auch ein bisschen blauäugig. Wir haben in der Wirtschaft auch daran geglaubt, dass das einfach immer so laufen wird, zumal das auch im Kalten Krieg so war.» Die Wirtschaft habe es unterlassen, bei der Politik auf eine stärkere Diversifizierung bei der Energieversorgung zu pochen. «Man hat diese ganzen geopolitischen Risiken und diese geostrategischen Risiken, die sich hier jetzt verwirklicht haben, die hat man nicht gesehen.»

Wolf sagte, man müsse Lehren daraus ziehen. «Es haben viele deutsche Unternehmen in der Ukraine investiert und haben dort Tochtergesellschaften gegründet und produzieren dort. Ich glaube, wir müssen auch in Zukunft viel mehr auch Auslandsinvestitionen unter geostrategischen und geopolitischen Risiken betrachten.» Er räumte ein: «Man hat die Kostenvorteile in Osteuropa und die Subventionen gesehen. Aber geostrategische Themen hat man nicht mit berücksichtigt. Das war aus meiner Sicht ein großer Fehler.»

Allerdings warnte der Gesamtmetallchef auch davor, sich vom russischen Markt komplett zu verabschieden. «Maschinen- und Anlagenbauer leiden im Moment, weil ihnen der russische Markt weggebrochen ist. Das ist wirklich ein Thema, wo man sich auch Gedanken machen muss, ob es richtig ist, dass wir uns diesen Markt so zumachen.» Der Markt werde derzeit von China und der Türkei eingenommen, wo es auch gute Maschinen und Anlagenbau gebe.