Mit einem 50-stündigen Warnstreik will die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) den Bahnverkehr ab Sonntagabend weitgehend lahmlegen. Von 22.00 Uhr bis Dienstagnacht um 24.00 Uhr soll im Fern-, Regional- und Güterverkehr auf der Schiene nichts mehr gehen, wie die EVG mitteilte. Mit dem bundesweiten Warnstreik will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeberseite im laufenden Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn und 50 weiteren Bahnbetrieben erhöhen.
«Gerade bei einem 50-Stündigen Streik ist das natürlich sehr ärgerlich für die Fahrgäste», sagte EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay am Donnerstag in Köln. «Aber wir müssen in dieser Länge streiken, weil wir dann einfach auch stärkere wirtschaftliche Auswirkungen haben und dadurch den Druck erhöhen können.» Insbesondere im Güterverkehr würden lange Staus entstehen, die den wirtschaftlichen Druck erhöhten.
Der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler, kritisierte den angekündigten Arbeitskampf am Donnerstag als «irrsinnig» und «restlos überzogen». «Statt Kompromisse zu suchen, will die EVG unglaubliche 50 Stunden das Land lahmlegen. Das ist quasi der Vollstreik ohne Urabstimmung», teilte er mit.
Die Bahn geht von Sonntagabend an von «massiven Auswirkungen» auf den gesamten deutschen Bahnbetrieb aus. «Es muss außerdem mit erheblichen Auswirkungen auf den gesamteuropäischen Güterverkehr gerechnet werden», hieß es. Sechs von zehn europäischen Frachtkorridoren führten über das deutsche Schienennetz. Der Konzern kündigte im Personenverkehr umfangreiche Kulanzregelungen für die betroffenen Fahrgäste an.
Forderung: Mindestens 650 Euro mehr im Monat für Beschäftigte
Die Gewerkschaft will bei den Verhandlungen mindestens 650 Euro mehr im Monat für die Beschäftigten herausholen oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Deutsche Bahn will sich hingegen am Abschluss des öffentlichen Dienstes orientieren, der Ende April erzielt wurde.
Daran angelehnt hat der bundeseigene Konzern zunächst einen steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich in mehreren Stufen von insgesamt 2850 Euro vorgeschlagen. Darüber hinaus sollen Löhne und Gehälter ab März 2024 stufenweise erhöht werden – um insgesamt zehn Prozent für die unteren und mittleren sowie um acht Prozent für die oberen Lohngruppen. Bei der DB arbeiten 180.000 der 230.000 Beschäftigten, für die die EVG aktuell verhandelt.
Ein entscheidender Knackpunkt bei den Verhandlungen war zuletzt der gesetzliche Mindestlohn: Rund 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten diesen aktuell bei der DB nur über Zulagen. Die EVG will vor den Verhandlungen über Tariferhöhungen zunächst den Mindestlohn von zwölf Euro in der Gehaltstabelle verankern. Etwaige Verhandlungsergebnisse würden dann auf diese zwölf Euro angerechnet. Einen Vorschlag der Bahn, mit dem die 12 Euro rückwirkend zum März dieses Jahres in die Tabellen aufgenommen werden sollten, wies die Gewerkschaft diese Woche zurück.
Bahn: Zugverkehr am Wochenende noch ohne Beeinträchtigungen
Der ab Sonntagabend angekündigte Warnstreik wird nach Einschätzung der Deutschen Bahn noch keine Auswirkungen auf den Zugverkehr am Wochenende haben. «Den Sonntag würde ich, nach dem was ich jetzt weiß, durchaus als verkehrssicher ansehen wollen», sagte Personalvorstand Martin Seiler in Köln. Ab Montag aber werde der Warnstreik zu «erheblichen Auswirkungen» führen. Wahrscheinlich müsse der Fernverkehr eingestellt werden, dies werde derzeit aber noch geprüft.
Seiler forderte die EVG erneut auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Bahn sei auch am Wochenende zu Gesprächen bereit, um den Warnstreik abzuwenden. Dieser sei völlig unverhältnismäßig und sinnlos.
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