21. November 2024

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Grünes Minister-Doppel reist nach Südamerika

Die deutsche Wirtschaft setzt große Hoffnungen auf ein Handelsabkommen mit Staaten Südamerikas. Auch für Brasiliens Industrie hat das Abkommen Priorität. Umwelt- und Verbraucherschützer laufen Sturm.

Mehr Handel, ein besserer Schutz des Regenwaldes, globaler Klimaschutz: Südamerika rückt wieder mehr in den Fokus der Bundesregierung. Heute macht sich ein grünes Minister-Doppel auf nach Brasilien und Kolumbien.

Bei der mehrtägigen Reise von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Agrarminister Cem Özdemir geht es um Wirtschaftsbeziehungen und Klimakooperation. Die Bundesregierung will neuen Schwung in das geplante Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten bringen. Im Januar war schon Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Südamerika.

Energie, Klima und Digitalisierung

Brasilien und Kolumbien spielen nach Angaben der Ministerien eine «Schlüsselrolle» beim globalen Klimaschutz und bei der Umstellung der Volkswirtschaften hin zu grünen, nachhaltigen Modellen. Beide Länder hätten immense Potenziale für erneuerbare Energien. Deutschland wird für den geplanten grundlegenden, klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft eine große Menge an grünem Wasserstoff importieren müssen, der auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden soll und dann durch die Elektrolyse von Wasser entsteht.

Brasilien ist dabei, sich mit immenser deutscher Unterstützung zu einem Hub für grünen Wasserstoff zu entwickeln. «Das ist eine Win-Win-Situation», sagte Ansgar Pinkowski, Direktor Energiewende und Nachhaltigkeit der Außenhandelskammer Rio.

Energie, Klima und Digitalisierung werden auch Themen bei den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen in Belo Horizonte sein, die Habeck und Özdemir besuchen. Das mit rund 1000 Teilnehmern größte Business-Treffen beider Länder ist das erste seiner Art unter der neuen brasilianischen Regierung.

Bundesregierung will Moment nutzen

Die Bundesregierung will ein «Momentum» nutzen, enger mit Brasilien und Kolumbien zusammenzuarbeiten, wie es hieß. Das zielt auf neue Präsidenten in beiden Ländern. Seit langem verhandelt die EU mit dem Mercosur – zu dem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören – über ein Abkommen, mit dem eine der größten Freihandelszonen der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen entstehen würde.

Das Abkommen lag auch auf Eis angesichts der Verweigerung des vorigen rechten Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, beim Klimaschutz. Nun wird darauf gesetzt, dass es mit Bolsonaros Nachfolger, Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, zu einem Abschluss kommt. Ein einfacher Partner aber ist auch der neue Präsident nicht, er hat bereits ein Entgegenkommen der Europäer gefordert.

In Kolumbien hatte der neue Präsident Gustavo Petro, ebenfalls ein Linkspolitiker, angekündigt, den Regenwald zu schützen und die Ausbeutung der Rohstoffvorkommen zu bremsen. Zurzeit ist Kolumbien einer der größeren Kohlelieferanten Deutschlands, seit August ist der Import russischer Kohle in die EU wegen des Ukraine-Krieges verboten.

Wirtschaft will profitieren

Die deutsche Wirtschaft fordert eine für rasche Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens. DIHK-Präsident Peter Adrian sagte, ein wechselseitig verbesserter Zugang zu wichtigen Branchenmärkten wie Maschinenbau, Automobil- sowie Ernährungsindustrie wäre für die deutsche Exportwirtschaft von großer Bedeutung. Derzeit gebe es noch immer große Handelshemmnisse.

Im Zuge der Verhandlungen seien wichtige Nachhaltigkeitsaspekte aufgenommen worden, sagte Adrian. «Nun sollte nicht noch mehr Zeit verloren gehen oder gar das Verhandlungspaket wieder aufgeschnürt werden. Wer jetzt überzieht, erreicht am Ende womöglich gar nichts.» Es sei im Interesse Brasiliens und Deutschlands, die Umsetzung des Vertrags zu beschleunigen, sagte auch Lytha Spindola, Direktorin für industrielle Entwicklung des nationalen brasilianischen Industrieverbandes CNI. «Das hat für uns Priorität.»

Umweltverbände warnen

Neuverhandlungen dagegen fordern Verbraucher- und Umweltschützer. «Gentechnik-Lebensmittel oder gefährliche Pestizide auf unseren Tellern – der Schutz davor würde schwächer», sagte der Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Chris Methmann. Umwelt- und Verbraucherschutz müssten ins Zentrum der Mercosur-Verhandlungen gestellt werden.

Das Handelsabkommen fördere klima- und naturschädliche Produkte wie Rindfleisch, Pestizide und Verbrenner, sagte Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha. «In Berlin spricht die Bundesregierung viel davon, die Klima- und Artenkrise zu bekämpfen. In Südamerika aber will sie ein Handelsabkommen abschließen, das klima- und naturschädliche Produkte wie Rindfleisch, Pestizide und Verbrenner fördert. Das passt nicht zusammen.» Für mehr Rindfleisch brauche es mehr Weideflächen in den Mercosur-Staaten, dafür würden aber oft wertvolle Wälder gerodet und andere Ökosysteme zerstört. Damit bedrohe der Deal auch den bereits stark gefährdeten Amazonas-Regenwald.

Habeck: Klare Maßnahmen bei Verhandlungen

CNI-Direktorin Spindola verweist darauf, dass Brasilien bereits rund 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energie bezieht. «Es gibt eine starke Verpflichtung der Regierung zum Schutz des Amazonasgebiets und des Klimas und gegen die Abholzung», sagte sie. Der brasilianische Präsident Lula war in seinen ersten beiden Amtszeiten (Anfang 2003 – Ende 2010) nicht als Grüner bekannt, hat nun aber versprochen, den Umwelt- und Klimaschutz in den Vordergrund zu stellen.

Habeck hatte deutlich gemacht, es gebe klare Maßgaben, unter denen die Verhandlungen geführt werden müssten. Ein Abkommen, dass beispielsweise einer weiteren Zerstörung des Regenwaldes Vorschub leiste, könne nicht im Interesse Deutschlands sein. Das Fenster für das Abkommen aber sei «offen».

Von Andreas Hoenig und Martina Farmbauer, dpa