Es sind schlechte Nachrichten. Die deutsche Wirtschaft kommt auch in diesem Jahr nicht vom Fleck. Nur ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent erwartet die Bundesregierung für dieses Jahr. Robert Habeck nennt das «dramatisch schlecht». Der Bundeswirtschaftsminister ist bis Freitag auf Ländertour durch Sachsen, Thüringen und Bayern, er besucht eine Handwerksmesse, Firmen und redet mit Bürgerinnen und Bürgern. Schon zum Auftakt in Leipzig hat er eine klare Botschaft: So kann es nicht weitergehen.
Konjunkturerholung nicht in Sicht
Im vergangenen Jahr ist die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gerutscht und hinkt international bei Wachstumsraten hinterher. Besserung ist erst mal nicht in Sicht. Habeck kündigt bei einer Handwerksmesse in Leipzig an, die Bundesregierung werde ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr deutlich senken, dazu stellt Habeck in der kommenden Woche den Jahreswirtschaftsbericht vor. In der Herbstprognose war die Regierung noch von einem Wachstum in laufenden Jahr von 1,3 Prozent ausgegangen.
Zum einen aber schwächelt die Weltkonjunktur. Auch der Konsum in Deutschland kommt nicht richtig in Gang, viele Menschen halten in unsicheren Zeiten lieber ihr Geld zusammen. Habeck nennt zudem als Grund Folgen des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts. So hätten die Menschen weniger Geld, um zu investieren, weil die Regierung aus Sparzwängen die Energiepreisbremsen bereits Ende 2023 auslaufen lassen musste.
Eine neue Welt
Habeck redet in Leipzig von neuen Realitäten. Punkt eins: die Europäer müssten mehr tun für ihre Sicherheit und die Ausgaben für Militär erhöhen – auch Deutschland. Hintergrund ist, dass in den USA neue Militärhilfen für die Ukraine wackeln. Außerdem geht es um eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November. Der Republikaner hatte deutlich gemacht, dass er Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde.
Zweiter Punkt Habecks: Deutschland habe sich lange auf billiges Gas aus Russland verlassen. Das habe sich nun aber als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine geändert. Drittens: Deutschland habe lange viele, auch hochklassige Produkte nach China verkauft. Das drehe sich aber oder drohe sich gerade zu drehen. Alles zusammengenommen seien das Zutaten für einen «perfect storm», sagt Habeck – es kann also sehr ungemütlich werden. «Jetzt, wo der Wind so richtig über das Land bläst, wird deutlich, was wir in den letzten Jahrzehnten alles nicht angegangen haben», sagt Habeck: Er nennt zum Beispiel den Fachkräftemangel, Versäumnisse bei der Infrastruktur, zu viel Bürokratie und eine zu große Abhängigkeit von China.
Habecks Lösungen
In der Analyse ist sich Habeck mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) eigentlich einig: Deutschlands Firmen drohen international nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein, wegen einer im internationalen Vergleich hohen Steuerlast oder Energiekosten.
Die Gegenmaßnahmen aber sind umstritten. Am liebsten wäre Habeck für eine Reform der Schuldenbremse – da will die FDP aber nicht mitmachen. Auch Habecks Plan, ein milliardenschweres und schuldenfinanziertes Sondervermögen zu errichten, um Firmen zum Beispiel über erleichterte Abschreibungsregeln zu entlasten und die Wirtschaft anzukurbeln, ist höchst umstritten. Habeck sagt in Leipzig: Er glaube, es sei der Moment, in dem alle ihre «Lieblingsplätze» verlassen müssten – zumal ein geplantes Wachstumspaket im Vermittlungsverfahren mit den Ländern viel geringer ausfällt als eigentlich geplant.
Duell mit Lindner
Beim politischen Aschermittwoch der brandenburgischen FDP in Potsdam warnt Lindner, mit einer Wachstumsprognose von 0,2 Prozent sei Deutschland erneut in der Schlussgruppe der entwickelten Wirtschaftsnationen. Das sei «peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich». Lindner bekräftigt die Ablehnung der FDP gegen ein EU-Lieferkettengesetz – Habeck sagt bei einem Bürgerdialog des «Redaktionsnetzwerks Deutschland» in Leipzig, es sei noch eine Lösung möglich.
Lindner hat außerdem neue Schulden wiederholt abgelehnt. Er will ein «Dynamisierungspaket» mit Entlastungen für Firmen zum Beispiel im Arbeitsmarkt, bei Energiepreisen, Bürokratie und Steuern. So schlug er vor, den Solidaritätszuschlag komplett zu streichen. Das aber ist bei SPD und Grünen umstritten.
Also kommt noch einer «großer Wurf» der Ampel, vor den wichtigen Landtagswahlen in diesem Jahr in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst, bei denen ein Erstarken der AfD droht? Habeck tritt in Leipzig dem Eindruck entgegen, das Duo Habeck-Lindner funktioniere nicht. Man habe auch viele Dinge gemeinsam hinbekommen: «Das soll auch nicht aufhören.»
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