Die Inflation in Deutschland hat erstmals seit knapp 28 Jahren wieder die Vier-Prozent-Marke übersprungen.
Angeheizt vor allem von höheren Energiekosten legten die Verbraucherpreise im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Die Wiesbadener Behörde bestätigte vorläufige Daten. Nach Einschätzung vieler Volkswirte dürfte sich der Preisauftrieb im Laufe des kommenden Jahres wieder abschwächen, auch weil Sondereffekte infolge der Corona-Krise entfallen.
Eine Vier vor dem Komma bei der Teuerungsrate war zuletzt im Dezember 1993 mit 4,3 Prozent ermittelt worden. Gegenüber dem Vormonat August blieben die Verbraucherpreise im September unverändert. Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor.
Vor allem für Energie mussten Verbraucher im September deutlich tiefer in die Tasche greifen als ein Jahr zuvor (plus 14,3 Prozent). Heizöl verteuerte sich innerhalb eines Jahres um 76,5 Prozent. Sprit kostete 28,4 Prozent mehr. Auch die Preise für Erdgas (plus 5,7 Prozent) und Strom (plus 2,0 Prozent) zogen an. Die Preise für Nahrungsmittel erhöhten sich überdurchschnittlich um 4,9 Prozent.
Die Teuerung wird seit geraumer Zeit von Energiepreisen angeheizt. Die weltweite Nachfrage unter anderem nach Rohöl ist angesichts der Konjunkturerholung nach dem Einbruch in der Corona-Krise groß. In Deutschland sind zudem seit Jahresbeginn 25 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.
Hinzu kommen Sondereffekte wie die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung des zweiten Halbjahres 2020, die inzwischen voll auf die Teuerung durchschlägt. Seit Januar gelten wieder die regulären Mehrwertsteuersätze. Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell teurer.
Experten: Vorübergehendes Phänomen
Viele Ökonomen werten den Anstieg der Teuerung vorerst als vorübergehendes Phänomen, das noch einige Monate anhalten dürfte. Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds dürfte die Inflation bis Mitte 2022 für den Großteil der Welt wahrscheinlich auf den Wert von vor der Pandemie fallen.
Die Inflation ist ein wichtiger Gradmesser für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Die Notenbank strebt für den Währungsraum der 19 Länder eine jährliche Teuerungsrate von 2 Prozent an und ist zumindest zeitweise bereit, eine moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren. Auch aus Sicht der Notenbank ist der jetzige Anstieg vorübergehend.
Im Euro-Raum stiegen die Verbraucherpreise im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,4 Prozent. Höher war die Teuerungsrate zuletzt im September 2008. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI, den die EZB für ihre Geldpolitik heranzieht, lag in Deutschland um 4,1 Prozent über dem Niveau vom September 2020.
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