Die führenden deutschen Wirtschaftsforscher senken nach und nach ihre Prognosen für das laufende Jahr. «Die deutsche Wirtschaft taumelt in die dritte Corona-Welle», sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Angesichts der andauernden Lockdowns erwarten die Münchner Wirtschaftsforscher jetzt nur noch 3,7 Prozent Wachstum.
Das ist ein halber Prozentpunkt weniger als in der Konjunkturprognose vom Dezember, als die Forscher noch rasche Fortschritte beim Impfen unterstellt hatten. Aber im Vergleich mit ihren Kollegen, die alle in den vergangenen Tagen neue Prognosen vorlegten, sind die Ifo-Experten noch relativ optimistisch: Der Sachverständigenrat erwartet nur 3,1 Prozent, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sogar nur 3,0 Prozent Wachstum in diesem Jahr.
Vor allem für das laufende Quartal ist das Ifo-Institut zuversichtlicher, weil es die Industrie besser laufen sieht als andere Institute. Dank der Nachfrage aus den USA und China seien Auftragseingänge und Exporterwartungen kräftig gestiegen, sagte Wollmershäuser. Deshalb rechne er im laufenden Quartal mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung von nur 0,7 Prozent – obwohl Einzelhandel, Gastronomie, Kultur und Tourismus stark litten und auch der Bau einen «kräftigen Rücksetzer» habe.
«Die Corona-Krise zieht sich hin und verschiebt den erwarteten kräftigen Aufschwung nach hinten», sagte Wollmershäuser. Sollten die Umsätze der betroffenen Dienstleistungsbranchen bis Juni auf dem niedrigen jetzigen Niveau verharren, würde die deutsche Wirtschaft dieses Jahr aber nur um 3,4 Prozent wachsen.
Der Ifo-Finanzexperte Andreas Peichl ging mit der Politik scharf ins Gericht: «Es wird planlos agiert und über Nebenkriegsschauplätze diskutiert, statt wichtige Dinge wie Impfen, Testen, Datenauswertung voranzutreiben.» Nach dem «Dauer-Jo-Jo» beim Öffnen und Schließen befürchte er den fast schon «nächsten Lockdown wahrscheinlich über Pfingsten, dann sind die Aussichten noch trüber».
Die Corona-Krise dürfte bis Ende nächsten Jahres voraussichtlich 405 Milliarden Euro kosten, gemessen an entfallener Wirtschaftsleistung, sagte Wollmershäuser. Die Wirtschaftsleistung war im vergangenen Jahr um 4,9 Prozent eingebrochen.
Die Zahl der Arbeitslosen dürfte nach der Ifo-Prognose dieses Jahr leicht zurückgehen von 2,70 auf 2,65 Millionen, die Quote von 5,9 auf 5,8 Prozent sinken. In diesem Punkt unterscheiden sich die verschiedenen Institute kaum. Im Februar waren laut Ifo-Institut 2,8 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Allerdings werde noch eine Insolvenzwelle folgen, und die dann entlassenen Beschäftigten dürften «zumindest mittelfristig keine neue Anstellung finden».
Die Preissteigerung erwartet das Ifo-Institut dieses Jahr bei 2,4 Prozent. Gründe seien zum einen die befristete Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr, zum anderen die neuen CO2-Abgaben.
Eine vergleichsweise optimistische Konjunkturprognose legte unterdessen das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) vor: Es rechnet 2021 mit 4,9 Prozent Wirtschaftswachstum. Es blieben Risiken, «aber ökonomisch stehen die Zeichen nach dem harten Jahr 2020 erst einmal auf Entspannung», erklärte IMK-Direktor Sebastian Dullien am Mittwoch.
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