Die IG Metall tritt mit einem neuen Führungsteam an, um die aus ihrer Sicht drohende Deindustrialisierung Deutschlands zu verhindern. Zum Abschluss des fünftägigen Gewerkschaftstags in Frankfurt bekräftigte der neue Zweite Vorsitzende Jürgen Kerner am Donnerstag, die einzigartigen industriellen Wertschöpfungsnetzwerke müssten erhalten werden. Er stimmte ausdrücklich der in dieser Woche vorgelegten Industriestrategie von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu.
Kerner bedauerte, dass es in der Ampel-Koalition weiterhin keine klare Entscheidung für den von Habeck befürworteten Brückenstrompreis für besonders energieintensive Industriebetriebe gebe. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bei seinem Besuch trotz mannigfaltiger Aufforderungen eine klare Zusage in dieser Frage vermieden. Der Regierungschef verwies auf eine Kombination vieler Einzelmaßnahmen und ein wirksames «Übergangsregime», das greifen werde.
Zusagen machte Scholz der IG Metall zu mehr gewerkschaftlichen Rechten beim digitalen Zugang zu den Beschäftigten im Betrieb. Auch müssten Schlupflöcher geschlossen werden, mit denen Unternehmen bislang der Mitbestimmung entfliehen könnten.
Absage an Sozialpartnermodell
Wichtigstes Ergebnis des Kongresses ist die Wahl des neuen Vorstands mit der Ersten Vorsitzenden Christiane Benner. Die 55 Jahre alte Soziologin hat als erste Frau für das Spitzenamt kandidiert und mit 96,4 Prozent Zustimmung eines der besten Ergebnisse in der Geschichte der Gewerkschaft geholt. Als wichtigstes Ziel hat sie ausgegeben, die schleichende Deindustrialisierung Deutschlands zu stoppen. Die Transformation zu einer grünen Industrie biete ausreichende Chancen und Arbeitsplätze.
Ihr Stellvertreter Jürgen Kerner bekräftigte: «Staatliche Förderung dürfen nur Unternehmen erhalten, die tarifgebunden sind, Standortgarantien fest zusagen und Wertschöpfung in Deutschland garantieren.»
Mittelfristig will die IG Metall auch über die Stahlindustrie hinaus die 32-Stunden-Woche durchsetzen. Sozialpolitisch hält Deutschlands größte Gewerkschaft grundsätzlich am System der gesetzlichen Rente fest. Betriebsrenten ohne garantierte Auszahlungen, wie sie als sogenanntes Sozialpartnermodell im Koalitionsvertrag ermöglicht werden sollen, erteilten die Delegierten eine klare Absage.
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