US-Präsident Joe Biden hat abgesagt, der chinesische Staats- und Regierungschef Xi Jinping schickt einen Vize, und der schillernde Unternehmenschef Elon Musk findet es absolut langweilig («boring as fuck»). Immerhin – auf das Winterwetter kann sich der Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF), Klaus Schwab, noch verlassen: Kurz vor Beginn der WEF-Jahrestagung in Davos verschwand das Schweizer Alpenörtchen doch wieder unter einer Schneedecke.
Auch wenn man so wieder Stiefel und Pelzmäntel in Davos erwarten kann, scheint das Treffen der Reichen und Mächtigen in den vergangenen Jahren an Glanz verloren zu haben. Vor der Corona-Pandemie elektrisierte noch der Besuch des damaligen US-Präsidenten Donald Trump – und sein Aufeinandertreffen mit Klimaaktivistin Greta Thunberg. 2017 hielt der Chinese Xi in den Schweizer Bergen eine viel beachtete Rede für freien Welthandel. Diesmal verkünden die Organisatoren zwar eine Rekord-Beteiligung, doch ohne Superstars.
Bundeskanzler Olaf Scholz ist fast schon der renommierteste Name im WEF-Programm. Insgesamt sind 50 Staats- und Regierungschefs angekündigt – doch es könnte kurzfristig noch Absagen geben. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa etwa kommt aufgrund einer schweren Stromversorgungskrise in seinem Land nun doch nicht nach Davos. Ob sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut zuschalten lassen oder diesmal sogar selbst anreisen will, blieb bis kurz vor Beginn aus Sicherheitsgründen geheim.
Ukraine-Krieg wohl erneut im Mittelpunkt
Insgesamt wollen fast 2700 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei dem Treffen bis Freitag über Lösungen für internationale Probleme diskutieren. Im Mittelpunkt werden wie im vergangenen Jahr wohl der Krieg in der Ukraine und seine weltwirtschaftlichen Auswirkungen stehen.
Schwab spannt einen großen Bogen: Die Welt sei derzeit wie in Krisen gefangen, sagte er vor Beginn der Tagung. Davos solle helfen, dass sie darin nicht verhaftet bleibe. Lösungen gebe es aber nur, wenn Regierungen, Wirtschaft und Organisationen zusammenarbeiteten. Darauf zielt auch das Motto der diesjährigen Tagung: «Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt»
Die Weltwirtschaft steht durch den Ukraine-Krieg unter enormem Druck: Energiekrise, hohe Inflation, gestörte Lieferketten. Dazu die Corona-Pandemie in China. «Wirtschaftliche, umweltspezifische, soziale und geopolitische Krisen kommen zusammen und schaffen eine extrem unvorhersehbare und unsichere Zukunft», beschreibt es Schwab.
1. Inflation und drohende Rezession
Steigende Inflationsraten setzen Politik und Wirtschaft unter Druck. Beim WEF diskutiert deshalb etwa Finanzminister Christian Lindner über den Anstieg der Lebenshaltungskosten, Wirtschaftsminister Robert Habeck über die Wiederbelebung von Handel, Wachstum und Investitionen. Es gibt Podien zur drohenden Rezession und der Zukunft der Geldpolitik. Die 56 teilnehmenden Finanzminister, 30 Handelsminister und 19 Notenbankchefs lassen auf Debatten etwa über das umstrittene Subventionsprogramm für US-Firmen («Inflation Reduction Act») hoffen.
2. Energie- und Ernährungskrise contra Klimaschutz
Beide Themen sind im Programm breit vertreten – und über allem schwebt die Frage, ob Klimaschutz angesichts von Gasmangel, Wiederbelebung von Kohlekraftwerken und Atomdebatte nicht mehr und mehr ins Hintertreffen gerät. Die Jahrestagung selbst will klimaneutral sein und ruft zur Anreise per Bahn auf – doch Greenpeace befürchtete bereits eine Flotte von Privatjets in den Schweizer Alpen.
3. Geopolitik
Die Zukunft der Ukraine und das bald wohl beginnende zweite Jahr des russischen Angriffskriegs bestimmen zahlreiche Podien in Davos. Es wird erwartet, dass die ukrainische Delegation erneut um Unterstützung beim Wiederaufbau wirbt. Zu Wort kommen soll auch die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska; ob sie nach Davos kommt oder zugeschaltet wird, ließen die Veranstalter zunächst offen. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird sprechen. Und der frühere US-Außenminister Henry Kissinger, 99 Jahre alt, präsentiert «historische Perspektiven auf den Krieg».
4. Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel
Wie arbeiten wir in der Post-Corona-Welt? Dieser Frage widmen sich in Davos ebenfalls mehrere Panels. Es geht um faire Löhne, den Erfolg von Vier-Tage-Wochen, einen globalen Mindestlohn und das Phänomen des «Quiet Quitting», das in der Arbeitswelt als Schlagwort dafür steht, dass Beschäftigte am Arbeitsplatz nur so viel leisten, wie es vertraglich vorgesehen ist und entlohnt wird.
Das Weltwirtschaftsforum war immer ein Ort des Austauschs für Befürworter eines wachsenden Welthandels und offener Märkte – die beide seit Beginn der Corona-Pandemie nicht mehr rund laufen. Hat sich der Fokus verschoben? Starinvestor George Soros, eigentlich viel gefeierter Stammgast in Davos, reist in diesem Jahr stattdessen zur Münchner Sicherheitskonferenz.
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