21. November 2024

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Industrie sieht kaum noch Chancen für früheren Kohleausstieg

Die Ampel will den Kohleausstieg in ganz Deutschland «idealerweise» auf 2030 vorziehen. So steht es im Koalitionsvertrag. Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist skeptisch, dass das gelingt.

Die Industrie sieht kaum noch Chancen für einen vorgezogenen Kohleausstieg in Deutschland. Als Grund nannte Industriepräsident Siegfried Russwurm eine bisher fehlende Strategie von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) über Anreize zum Bau neuer Gaskraftwerke. «Es ist höchst ärgerlich, dass wir in die Situation kommen könnten, Kohlekraftwerke länger weiterbetreiben zu müssen, weil es keine ausreichenden anderen Reservekapazitäten gibt.»

Die Bundesregierung setzt beim Umbau des Stromsystems auf erneuerbare Energien aus Wind und Sonne. Ziel ist es, dass 80 Prozent des verbrauchten Stroms in Deutschland im Jahr 2030 aus erneuerbaren Quellen kommt. Derzeit ist es etwas mehr als die Hälfte.

Russwurm beklagt fehlende Kraftwerkstrategie

Unternehmen warten seit langem auf eine Kraftwerkstrategie von Habeck, die eigentlich bereits im Sommer vorgelegt werden sollte. Neue Gaskraftwerke sollen in «Dunkelflauten» – wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint – als «Backup» einspringen, um die Stromnachfrage zu decken. Sie sollen zunächst mit Erdgas und später mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden. Energieunternehmen scheuen aber bisher Investitionen, weil sich die neuen Kraftwerke bisher nicht rechnen.

Habeck hatte staatliche Förderungen angekündigt, die sich im Milliardenbereich bewegen. Möglich ist ein Anreizsystem, mit dem es honoriert wird, dass Betreiber Kraftwerkskapazitäten vorhalten. Die Bundesregierung muss allerdings nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Haushalt für 2024 sowie im Klima- und Transformationsfonds stopfen.

«Es wird privatwirtschaftliche Investitionen brauchen, und die müssen sich lohnen – und zwar auch bei wenigen Betriebsstunden im Jahr», sagte Russwurm. «Ich bin ein Fan davon, Erneuerbare zuzubauen. Aber zur Ehrlichkeit gehört zu sagen, dass man für die Dunkelflaute Reserven braucht. Von ausreichenden Speicherkapazitäten sind wir weit entfernt.» Genügend wasserstofffähige Gaskraftwerke seien Zukunftsmusik.

Kritik an Annahmen der Regierung

«Bei der Ankündigung ihrer Kraftwerksstrategie hat die Bundesregierung unterstellt, dass wir in Zeiten, in denen Strom bei uns knapp ist, erhebliche Mengen aus dem Ausland importieren können und wir deshalb nur 25 Gigawatt zubauen müssen,» sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. «Das ist eine höchst optimistische These, weil sie davon ausgeht, dass unsere Nachbarn immer dann Überschussstrom haben, wenn wir ihn brauchen. Aber auch 25 Gigawatt Zubau bedeutet 50 neue Kraftwerke.» Dies sei eine immense Ambition.

«In dem Maß, wie dieser Zubau nicht gelingt, wird der Bundesnetzagentur zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit kaum etwas anderes übrigbleiben, als Kohlekraftwerke weiter am Netz zu halten», sagte Russwurm. «Und Elektroautos, die mit Strom aus Kohlekraftwerken fahren, wären nun wirklich ein schwerer Rückschlag für den Klimaschutz.»

Russwurm: Früherer Kohleausstieg fast unmöglich

Die Ampel-Koalition hatte sich darauf verständigt, den Kohleausstieg «idealerweise» auf 2030 vorzuziehen, um den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids zu verhindern. Bislang ist ein um acht Jahre vorgezogener Ausstieg aber nur im Rheinischen Revier beschlossen. In den Revieren in Ostdeutschland ist er umstritten.

Auf die Frage, ob er noch eine Chance sehe für einen Kohleausstieg 2030, sagte der BDI-Präsident: «Ganz ehrlich, mir fehlt die Fantasie dafür.» Gleichzeitig in wenigen Jahren 50 Gaskraftwerke zu bauen, sei kaum vorstellbar. Es gebe nur wenige Hersteller, die in der Lage seien, wasserstofffähige Gasturbinen herzustellen, dies sei außerdem weder einfach noch preiswert. «Wenn allein in Deutschland 50 gleichzeitig bestellt, geplant, genehmigt und gebaut werden sollen, ist das eine Zielsetzung, die mir wenig realistisch erscheint.»