24. November 2024

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Kleidung: Afrika wird zur «Müllkippe des Westens»

Die Deutschen spenden immer mehr gebrauchte Kleidung. Doch viele Jacken, Shirts und Hosen sind von schlechter Qualität. In Afrika und Südamerika werden schnelle Trendwechsel im Westen zum Umweltproblem.

Berge von T-Shirts, Jeans und Schuhen türmen sich auf wackeligen Tischen. Mit viel Ausdauer durchstöbern die Kunden an einem sonnigen Wintertag die gebrauchten Kleidungsstücke auf einem zentralen Markt in Tunesiens Hauptstadt.

«Die Preise sind gut», sagt ein junger Mann aus Tunis, der regelmäßig hier auf dem sogenannten Fripe einkauft. Mal eine Jacke, mal ein paar T-Shirts. Die meisten Sachen kosten umgerechnet nicht mehr als drei Euro, einige sind für ein paar Cent zu haben. Manchmal gingen Sachen allerdings auch schnell kaputt, sagt der Tunesier und zeigt auf das Loch im Ärmel eines Pullovers.

Second-Hand-Klamotten sind in dem nordafrikanischen Land weit verbreitet. Tunesier mit T-Shirts einer deutschen Musikschule oder Sportvereins sind kein seltener Anblick. Denn in Tunesien landen auch viele gebrauchte Waren aus Deutschland. Nach UN-Angaben ist die Bundesrepublik einer der größten Exporteure von Altkleidern.

Mehr als eine Million Tonnen gebrauchte Textilien werden in Deutschland dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) zufolge jährlich für die Wiederverwertung gesammelt. Das sind über 15 Kilogramm pro Einwohner – mit steigender Tendenz.

Wegwerfmentalität hat „Umweltkatastrophe ausgelöst“

Auch nach Ghana werden Unmengen gebrauchter Textilien aus westlichen Ländern verschifft. Die Wegwerfmentalität des Westens habe hier eine Umweltkatastrophe ausgelöst, sagt Sammy Oteng, Projektleiter der OR Stiftung in der Hauptstadt Accra, die sich für mehr Nachhaltigkeit in der Modeindustrie einsetzt.

Allein auf dem größten Second-Hand-Markt des Landes, Kantamanto, gingen wöchentlich 15 Millionen Kleidungsstücke ein. «Bei einer Bevölkerung von 31 Millionen Menschen kann man leicht ausrechnen, dass die Hälfte aller Ghanaer ein Kleidungsstück kaufen müsste», erklärt Oteng. «Das ist völlig unmöglich.» 40 Prozent aller ankommenden Altkleider seien außerdem zu alt oder zu schäbig, um wiederverwertet zu werden. Jeden Tag werden Oteng zufolge rund 70 Tonnen Textilien von Kantamanto auf eine Müllhalde am Ufer der Korle-Lagune in Accra abgeladen. Von dort werde die Kleidung oft in die Lagune geweht und ins Meer gespült. «Wir sind zur Müllkippe des Westens geworden.»

Der Trend zur billigen Wegwerfmode bereitet auch der Branche in Deutschland Sorgen. Synthetik-Fasern und Materialmixe sind laut BSVE inzwischen dominierende Bestandteile der Modeindustrie. Diese Stoffe ließen sich nur schwer wiederverwerten.

Auch in Chile kommen Unmengen an Altkleidern aus dem Westen an. Die Hügellandschaft der dortigen Atacama-Wüste wird inzwischen durch neue gigantische Berge ergänzt: Kleiderhaufen. Nahe der Stadt Alto Hospicio stapeln sich alte Hosen, T-Shirts und Pullover an dem trockensten Ort der Welt. In dem südamerikanischen Land würden rund 40 Prozent der ankommenden Textilien aussortiert und entsorgt, sagt der Umweltbeauftragte der Stadt, Edgar Ortega. Jeden Tag landeten so rund 20 Tonnen alter Klamotten in der Wüste.

Hälfte der Sachen könne nicht weiter getragen werden

Auch rund die Hälfte aller Sachen aus deutschen Altkleider-Containern oder kirchlichen Sammelstellen könne nicht weiter getragen werden, berichtet der Dachverband Fairwertung, in dem sich gemeinnützige Altkleidersammler zusammengeschlossen haben. Die Textilien ließen sich dann nur noch zu Putzlappen oder Rohstoffen verarbeiten – oder müssten entsorgt werden.

Nur rund fünf bis zehn Prozent der in Deutschland gesammelten Altkleider werden laut Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen am Ende an Bedürftige hierzulande weitergegeben oder in hiesigen Läden als Second-Hand-Ware weiterverkauft. Rund 40 Prozent der gesammelten Textilien werden in osteuropäische und afrikanische Länder verkauft. Der Export der Ware in afrikanische Staaten ist auch schon lange umstritten, weil die Flut an Billigware die einheimischen Textilproduzenten bedroht.

Vor ein paar Jahren versuchte sich eine Gruppe ostafrikanischer Empfängerländer – Kenia, Ruanda, Uganda und Tansania – mit einem Importstopp gegen die Einfuhr von Altkleidern zu wehren. Die USA drohten daraufhin, die Länder aus dem Agoa-Handelsabkommen hinauszuwerfen, das vielen afrikanischen Staaten zollfreien Zugang zum US-Markt gewährt. Nur Ruanda behauptete sich. Alle anderen machten einen Rückzieher.

Von Cindy Riechau, Kristin Palitza und Erich Reimann, dpa