Zum Kampf gegen den Klimawandel müssen alle Wirtschaftsbereiche ihren Beitrag leisten, und das weltweit. Darüber sind sich alle Experten weitgehend einig. Für die Schifffahrt gibt es bislang aber keine konkreten und verbindlichen globalen Vorgaben, wie und wann spätestens Schiffe ohne jegliche Emission von Treibhausgasen über die Weltmeere fahren sollen. Um das zu ändern, berät der Umweltausschuss der Weltschifffahrtsorganisation IMO seit Montag in London über neue Regeln zum Klimaschutz. Eine Entscheidung wird für diesen Freitag erwartet.
Welche Bedeutung hat die Schifffahrt beim Klimawandel überhaupt?
Rund 90 Prozent des weltweiten Warenhandels werden per Schiff abgewickelt. Die oft riesigen Containerschiffe fahren überwiegend mit Schweröl oder Marinediesel, einige auch mit flüssigem Erdgas LNG – allesamt fossile Energieträger, bei deren Einsatz das Treibhausgas CO2 frei wird. Rund drei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes gehen auf das Konto der internationalen Schifffahrt. «Wäre die Schifffahrt ein Staat, stünde sie bereits heute an sechster Stelle aller CO2-Emittenten weltweit, noch vor Deutschland», hat der Umweltverband Nabu vorgerechnet. Der Anteil könnte Prognosen zufolge noch deutlich steigen, wenn Erwartungen zu einer Zunahme des Schiffsverkehrs eintreffen.
Es gibt doch schon Regeln der EU, welche Rolle spielt dann die IMO?
Richtig, die EU will ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 senken und bis 2050 klimaneutral werden. Weil Reedereien und Schiffbauer weltweit operieren, sind aber international einheitliche Regeln wichtig, auch um weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb der maritimen Wirtschaft zu schaffen. Und zuständig für die weltweite Regulierung des Sektors ist eben die IMO, eine Unterorganisation der Vereinten Nationen (UN) mit derzeit 175 Mitgliedsländern.
Wie sieht die Position der IMO aktuell aus?
1997 hat die IMO zwar schon notiert, dass sich CO2-Emissionen negativ auf die Umwelt auswirken. Eine Strategie zum Klimaschutz hat die IMO aber erst 2018 beschlossen und eine Überarbeitung für 2023 in Aussicht gestellt. Bislang sieht der IMO-Fahrplan vor, die Treibhausgasemissionen des internationalen Schiffsverkehrs bis 2050 um mindestens 50 Prozent im Vergleich zu 2008 zu senken, ohne zugleich aber konkrete Mechanismen vorzugeben, wie das erreicht werden kann. Vollständige Klimaneutralität wurde bisher auf die lange Bank geschoben – der Ausstoß von Treibhausgasen solle «so bald wie möglich in diesem Jahrhundert» beendet werden. Einen schärferen Kurs haben einige Entwicklungsländer und mineralölproduzierende Staaten bisher blockiert. Der deutsche Werftenverband VSM hat der IMO daher einmal vorgeworfen, sie sei beim Klimaschutz «auf Schleichfahrt».
Mit welchen Beschlüssen der IMO wird gerechnet?
Die IMO hat angekündigt, voraussichtlich eine aktualisierte IMO-Treibhausgasstrategie zu verabschieden. Sie werde «konkrete Treibhausgasreduktionsziele für den Sektor enthalten und voraussichtlich einen Korb technischer und wirtschaftlicher Maßnahmen umreißen, die entwickelt werden sollen, um die globale Schifffahrt auf einen ehrgeizigen Weg zur schrittweisen Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu bringen», so die IMO. Zum Auftakt der Beratungen hatte UN-Generalsekretär António Guterres einen eindringlichen Appell an die Delegierten gerichtet: «Ich fordere Sie auf, London mit einer Treibhausgasstrategie zu verlassen, die den Sektor dazu verpflichtet, bis spätestens 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen», sagte er in einer Videobotschaft.
Wie ist die Haltung der maritimen Wirtschaft?
Um eine sichere Grundlage für Investitionen zu haben, hofft sie auf eine ambitionierte Weichenstellung durch die IMO. Was die eigenen Ziele angeht, sind wichtige Akteure im maritimen Sektor allerdings sogar schon weiter als die IMO. So hat sich beispielsweise der Weltreederverband ICS nicht zuletzt auf Initiative des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) Klimaneutralität bis 2050 zum Ziel gesetzt, ebenso der internationale Verband der Kreuzfahrtindustrie, Clia. Einzelne Reedereien wollen früher so weit sein, die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises und die dänische Containerreederei Maersk beispielsweise 2040; der Hamburger Maersk-Konkurrent Hapag-Lloyd hat sich 2045 als Zielmarke gesetzt. Allerdings sei eine IMO-Regulierung doch noch einmal etwas anderes, als eine freiwillige Selbstverpflichtung, heißt es beim VDR. «Die Bewältigung der Klimakrise erfordert einen starken Rechtsrahmen», schreibt auch Maersk in einem Positionspapier.
Gibt es überhaupt schon klimaneutrale Schiffsantriebe?
Bei Antrieben und Kraftstoffen der Zukunft werden verschiedene Lösungen diskutiert. Ein wichtiger Faktor wird sein, ob der Kraftstoff überall in ausreichenden Mengen verfügbar ist. Zudem spielen Gewicht und Platzbedarf eine Rolle. Batterien – wie sie im Autoverkehr schon gängig sind – kommen im Schiffsverkehr nur auf kleinen Strecken infrage. Beispielsweise will die Reederei Scandlines bald eine batteriegetriebene Fähre zwischen Deutschland und Dänemark einsetzen. Für lange Strecken sind vor allem Ammoniak und Methanol im Gespräch. «In der Container- und Passagierschifffahrt ist Ammoniak im Augenblick kein Thema – die Sicherheitsbedenken sind einfach noch zu groß», heißt es bei Hapag-Lloyd. Derzeit dürfte die Reise in Richtung Methanol gehen. Maersk hat beispielsweise schon mehrere Frachter bestellt die mit grünem Methanol fahren sollen, der erste soll in diesem Jahr als Feederschiff auf der Ostsee in Dienst gehen.
Mit welchen Folgen müssen Verbraucher rechnen?
Auf die Reedereien kommen hohe Investitionen für den Neubau oder die Umrüstung von Schiffen zu. Zudem sind alternative Kraftstoffe, wie klimaneutral hergestelltes Methanol deutlich teurer als die bisher eingesetzten fossilen Kraftstoffe. Bei Hapag-Lloyd geht man deshalb davon aus, dass Konsumenten bereit sein müssen, Mehrkosten für einen nachhaltigen Transport zu tragen. «Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass sich die Transportkosten für das einzelne T-Shirt oder den Fernseher nur geringfügig verteuern würden.»
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