Mehr als 500 Kilometer Luftlinie trennen den Kaiserstuhl von der Provence. Hier wie da blüht der Lavendel in voller Pracht. Während die Region an der französischen Mittelmeerküste für ihre in Violett getünchte Postkartenidylle bekannt ist, baut Beate Klingenmeier die wohlduftenden Sträucher erst seit dem vergangenen Jahr großflächig in Südbaden an.
Drei Felder bewirtschaftet sie inzwischen in Vogtsburg in der Nähe von Freiburg, insgesamt ein Hektar. Neun verschiedene Lavendelsorten wachsen hier. Vom Echten Lavendel – der wegen seiner beruhigenden, entkrampfenden und wundheilenden Wirkung 2008 zur Heilpflanze des Jahres und 2020 zur Arzneipflanze des Jahres gewählt wurde – bis zur natürlichen Kreuzung Lavandin, deren ätherische Öle ertragreicher sind und dessen Wirkung im Detail etwas anders ist. «Sie haben verschiedene Farben und Blühzeiten», erklärt Klingenmeier. Am Kaiserstuhl ist sie nach ihrem Wissen die einzige Lavendelbäuerin.
Für den französischen Landwirt Hervé Lauzier hingegen steht in diesem Jahr auf einigen Feldern in Châteauneuf-du-Rhône die letzte Lavandinernte an. Im Herbst will er drei Hektar der Pflanze ausreißen. «Das ist ein Produkt, das wir vielleicht für weniger als 10 Euro verkaufen werden», erzählte er dem französischen Sender France 2. Vor drei, vier Jahren seien es noch 35 Euro je Kilo gewesen.
Die Preise stiegen, die Nachfrage nicht
Vor einigen Jahren war der Preis für Lavendel und Lavandin so hoch, dass mehr Landwirte Felder mit den Pflanzen bestellten oder ihre Produktion ausbauten. Nach Zahlen des französischen Agrarministeriums wurden 2010 auf 27.900 Hektar Parfüm-, Aroma- und Medizinpflanzen angebaut. 2018 waren es 48.000 Hektar. Lavendel und Lavandin stehen für gut die Hälfte der Produktion dieser Pflanzenarten in Frankreich. In der Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur stieg der Anbau 2020 um 8,5 Prozent.
Doch die Nachfrage blieb hinter dem Angebot zurück. Französische Medien sprechen mittlerweile von einer Überproduktion im Lavendelland. Auch Landwirt und Gewerkschaftschef Alain Aubanel wird nun einige Hektar umfunktionieren. Etwa zehn Prozent der Lavendelflächen müssten weg. Während er auf Getreide oder Wiesengras umsteigen kann, ist die Überproduktion gerade für Bauern in den Bergen bedrohlicher. Dem Sender France Bleu sagte der Gewerkschafter: «Am schlimmsten trifft es die Lavendelbauern in den traditionellen Gebieten, die keine anderen Kulturen anbauen können.»
Druck auf dem Markt bekommen die französischen Landwirte auch durch Lavendel und Lavandin aus anderen Ländern. In großem Stil werden die Pflanzen neben Frankreich in Spanien, Südosteuropa und Russland kultiviert. Zahlen zum Lavendelanbau in Deutschland haben weder das Statistische Bundesamt noch der Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter. Dessen Referentin für Zierpflanzen, Kerstin Schlemmer, verweist auf ein paar Projekte etwa in der Oberlausitz.
Herausforderung Unkraut
Der Dufthersteller Taoasis im nordrhein-westfälischen Lage hat selbst rund 19 Hektar Lavendelfläche und bewirtschaftet die Felder nach den strengen Richtlinien des Bio-Anbauverbands Demeter. Die größte Herausforderung sei dabei Unkraut. «Dieses wird dann maschinell in der Fahrspur, aber händisch in der Reihe an sich entfernt.» Diese Arbeit fällt mehrfach im Jahr an.
Eine Aufgabe, die auch Beate Klingenmeier am Kaiserstuhl kennt. In der glühenden Mittagssonne ernteten sie und viele Helfer vor kurzem den Lavendel mit Sicheln. So bleibe die kugelige Form erhalten, erklärt sie. Die Büschel werden zum Trocknen zu Hause aufgehängt: auf dem alten Dachboden, im Innenhof. «Jeder Platz wird genutzt.»
Später verarbeitet Klingenmeier die Blüten zum Beispiel zu Duftkissen. In ihrem Lavendel-Laden verkauft sie auch Naturseifen einer Freundin mit Kaiserstühler Blüten und Kosmetika einer Lavendelbäuerin aus der Provence. Ziel sei ein eigenes ätherisches Öl. «Das ist spannend, wie der Duft vom Kaiserstuhl wird.» Das Klima einer jeden Region präge den Charakter des Öls. Und so sind Lavendelöl und Lavendelessenz aus der Haute-Provence auch als geschützte Ursprungsbezeichnungen registriert.
Es spricht sich langsam herum
«Lavendel hab ich schon immer gemocht als Gartenpflanze», sagt Klingenmeier, die mit ihrem Mann nebenberuflich Wein anbaut. Bei Besuchen eines befreundeten Winzers in Frankreich kam sie auf den Lavendelanbau, las sich in der Corona-Zeit viel Fachwissen an – und beschloss dann, es selbst zu versuchen. «Das Ganze hat mich nicht mehr losgelassen», erzählt sie. «Ich habe immer gewartet, dass ein Argument kommt, warum das nicht funktioniert. Aber es kam nicht.»
Ein paar freie Äcker hatte sie zur Verfügung. Die Pflanzen holte sie aus Biobaumschulen in Frankreich. Ein renovierter Raum in einer alten Scheune wurde zum Laden, den sie am Wochenende öffnet. «So langsam spricht sich das rum», sagt Klingenmeier.
Doch auch wenn Lavendelanbau am Kaiserstuhl funktioniert, strebt die Unternehmerin keinen Ausbau im industriellen Stil an. «Wir bleiben eher autark», sagt sie. «Wir wollen das weiter handwerklich machen.»
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