25. November 2024

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«Lex Rosneft»? Regierung will Raffinerie notfalls enteignen

Ein schon verstaubtes Gesetz aus den 70er Jahren soll aufpoliert werden - und Deutschland dabei helfen, unabhängig von russischem Öl zu werden.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat Deutschland seine Abhängigkeit von russischem Öl bereits deutlich verringern können – aber es gibt noch ein großes Hindernis auf dem Weg zu einem Embargo: die PCK-Raffinerie in Schwedt in Brandenburg, die vom russischen Staatskonzern Rosneft kontrolliert wird.

Um das Problem zu lösen, soll eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes die Grundlage schaffen. Es wurde Freitag erstmals im Bundestag beraten. Die Bundesregierung soll in die Lage kommen, die Raffinerie in Schwedt unter eine staatliche Treuhandverwaltung zu stellen oder sogar zu enteignen.

Die Raffinerie in Schwedt wird über die Druschba-Pipeline mit Öl versorgt und spielt eine Schlüsselrolle bei der Versorgung des Ostens. Bundesweit deckten russische Importe vor Beginn des Kriegs 35 Prozent des deutschen Ölverbrauchs. Dieser Anteil konnte inzwischen auf 12 Prozent gesenkt werden, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diese Woche sagte. Bei diesen 12 Prozent handele es sich um Ölimporte der Raffinerie in Schwedt. Das Geschäftsmodell von Rosneft sei es, russisches Öl zu kaufen. Wenn man dieses Öl nicht mehr haben wolle, brauche man für Schwedt eine Alternative.

Staatliche Aufsicht als Alternative

Diese Alternative könnte es sein, die Raffinerie unter staatliche Aufsicht zu stellen – wie im Fall der deutschen Gazprom-Tochter. Für diese hatte Habeck die Bundesnetzagentur als Treuhänderin eingesetzt. Das allerdings geschah auf Grundlage des Außenwirtschaftsrechts und war möglich, weil die Firma von einer anderen russischen übernommen werden sollte. Habeck hatte die Treuhandverwaltung mit unklaren Rechtsverhältnissen und einem Verstoß gegen Meldevorschriften begründet.

Im Fall von Rosneft könnte nun das Energiesicherungsgesetz die Grundlage für eine staatliche Aufsicht bilden. Auch eine Enteignung wäre möglich. Eine solche sah das Gesetz, das als Reaktion auf die Ölkrise aus dem Jahr 1975 stammt, zwar auch bisher schon vor. In der nun geplanten Novelle aber sollen die Möglichkeiten klarer gefasst werden. Im Gesetzentwurf heißt es, zur Sicherung der Energieversorgung könnten Enteignungen vorgenommen werden.

Energieexporte als Waffe

Der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Oliver Krischer (Grüne), sagte im Bundestag, man habe erlebt, dass der russische Präsident Wladimir Putin Energieimporte als Waffe einsetze – Russland hatte Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien gestoppt. «Aber wir werden uns nicht einschüchtern lassen, sondern unsere Politik ist darauf ausgerichtet, dass wir uns für den Fall wappnen, dass sich die Situation zuspitzt», sagte Krischer. «Je besser wir vorbereitet sind, je schneller und umfassender wir handeln, je besser können wir auch mit der Krise umgehen.»

Als «Ultima Ratio» – also als letztes Mittel – müsse unter klar benannten und sehr engen Bedingungen auch eine Enteignung von Firmen möglich sein. Es könne nicht sein, dass jemand, der eine kritische Infrastruktur für die Energieversorgung besitze, diese Versorgung gefährde.

Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse sagte: «Jeder, der kritische Infrastruktur in Deutschland gegen die deutschen und europäischen Interessen missbraucht, der kann nicht weiter Eigentümer dieser kritischen Infrastruktur sein.» Der SPD-Abgeordnete Bengt Bergt sagte: «Als absolute Ultima Ratio müssen wir auch zur Brechstange der Enteignung greifen können.»

Eile geboten

Um schnell handeln zu können, soll das Gesetz rasch verabschiedet werden. Das könnte Mitte Mai der Fall sein. Dazu kommt noch ein anderer Hebel: Rosneft will die Raffinerie in Schwedt fast vollständig übernehmen, dies aber wird derzeit vom Wirtschaftsministerium geprüft.

Woher aber soll Ersatz kommen, wenn Schwedt nicht mehr mit russischem Öl beliefert würde? Zum einen könnte über den Hafen im polnischen Danzig Öl per Schiff angelandet werden, das dann nach Schwedt gebracht werden könnte. Auch vom Ostseehafen Rostock aus könnte Schwedt versorgt werden.

Habeck hatte am Dienstag mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, ein Ölembargo gegen Russland sei für Deutschland «handhabbar». Im ZDF sagte er am Donnerstagabend, Deutschland könnte ein Embargo mitgehen. Wäre es morgen so weit, werde es Lieferausfälle geben und enorme Preissprünge: «Das tut noch immer ordentlich weh, aber wir werden keine nationale Katastrophe mehr erleben.» Habeck sagte aber zugleich, ein Embargo müsse klug gestaltet werden. Es bestehe die Gefahr, dass im Falle eines Embargos die Preise weltweit so steigen, dass Putin am Ende mit weniger Öl mehr Geld bekomme.

Von Andreas Hoenig, dpa