21. November 2024

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Lösungen statt Quadratmeter: Schwieriger Neustart der Messen

Kaum eine Branche wurde von Corona so hart und lange getroffen wie das Messegeschäft. Zum Neustart drücken Inflation und Krieg auf Konsum und Konjunktur. Die Messen müssen um jeden Besucher kämpfen.

Begeisterte Camping-Fans bei der Stuttgarter CMT, Gedränge bei der Grünen Woche in Berlin: Die erste deutsche Messe-Saison nach der Pandemie hat zu Jahresbeginn schnell Fahrt aufgenommen. Doch vor der Neuauflage der Konsumgüter-Leitmesse Ambiente (3.-7. Februar) in Frankfurt wird deutlich, dass die Pandemie-Zwangspause den Wandel der Geschäftsplattformen enorm beschleunigt hat. Insbesondere die Fachmessen müssen um jeden Besucher und jede Besucherin kämpfen.

Der Branchenverband Auma rechnet seiner aktuellen Mitglieder-Umfrage zufolge erst für 2024 mit einer Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau, wenn das laufende Programm problemlos abgewickelt werden kann. Rund 340 größere Messen sind 2023 zwischen Husum und Friedrichshafen geplant, nur etwas weniger als im Jahr 2019 (351). Noch fehle das internationale Publikum in gewohnter Stärke, sagt Auma-Geschäftsführer Jörn Holtmeier, der zudem auf instabile Lieferketten und zunehmende Unwägbarkeiten der Weltwirtschaft verweist.

Der Verband sieht Deutschland als weltweit wichtigsten Messeplatz mit umsatzstarken Veranstaltern und großen Geländen, die in der Vergangenheit häufig mit globalen Branchentreffpunkten, sogenannten Weltleitmessen gefüllt wurden. Beispiele sind die Industriemesse in Hannover, die Frankfurter Buchmesse, die Kölner Gamescom oder die Baumaschinen-Messe Bauma in München.

Konzentration auf einen Termin

Das gerade um eine Halle erweiterte Frankfurter Messegelände ist zur Frühjahrsmesse Ambiente mit einer Rekordfläche von 353.000 Brutto-Quadratmetern voll ausgebucht. Die Messegesellschaft hat dafür ihr Konsumgüter-Angebot auf einen Termin konzentriert. Erklärtes Ziel der Weltleitmesse: Den Abstand zur Nummer 2 vergrößern, denn Einkäufer und Aussteller sollen möglichst nicht um den Termin am Main herumkommen – egal ob sie feinste Gläser oder ganze Containerladungen mit Gebrauchsgeschirr handeln.

Die Frankfurter Herbstmesse Tendence erlitt für die Konzentration ebenso einen stillen Corona-Tod wie die Paperworld, deren einstige Schwestern Christmasworld (Weihnachtsschmuck) und Creativeworld (Bastel- und Kreativbedarf) nun der Ambiente angegliedert sind, statt einen eigenen Termin zu füllen.

Stephen Kurzawski, in Frankfurt seit Jahren für die Konsumgüterveranstaltungen verantwortlich, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Man könne schon sehr froh sein, wenn nur 20 Prozent der früheren Gäste wegblieben. «Mehr schafft bislang keine Präsenzmesse.» Statt früherer Zahlen um die 140.000 Fachbesucher will er bei der neu und breiter aufgestellten Ambiente schon bei 100.000 Besuchern von einem Erfolg sprechen.

Die Rückkehr der Normalität

«Das ist das richtige Zeichen, dass die Normalität zurückkehrt», sagt Oliver Kasties, Hauptgeschäftsführer des Gastgewerbeverbandes Dehoga Hessen, zum Neustart. Gerade die Frankfurter Hotellerie hängt stark an den Geschäftsreisenden und hat in den Pandemie-Jahren gelitten. Neben der Schließung mehrerer Luxushotels kamen neue, noch vor der Pandemie geplante Häuser mit drei und vier Sternen auf den Markt. «Die müssen sich jetzt alle beweisen.» Zur Buchungslage hält sich der Verband bedeckt: Ausgebucht sei man nicht, zumal die große Gruppe der Gäste aus China nach wie vor fehle.

Selbst Freizeit-Magneten wie die Stuttgarter Publikumsmesse CMT erreichen trotz Tourismus-Sonderkonjunktur nicht ganz die alten Besucherzahlen. Statt 300.000 kamen an den neun Messetagen 265.000 Menschen, um sich über Reiseziele, Golf, Wellness oder Caravans zu informieren. Die Messe Stuttgart zeigte sich dennoch über mehr als 1600 Aussteller und die «überwältigende Stimmung» in den Hallen sehr zufrieden.

Das allein wird bei den Fachmessen nicht genügen, wenn Reise-Etats strenger geführt und digitale Handelskanäle immer wichtiger werden. «Die Messe muss zum Lösungsanbieter werden und nicht nur Quadratmeter verkaufen», fasst der Frankfurter Bereichsleiter Philipp Ferger die Herausforderung zusammen. Das ganze Jahr müsse man über die starken Messemarken der jeweiligen Branche Mehrwert schaffen, ergänzt Ambiente-Managerin Julia Uherek. Nachträgliche Order über die Internet-Plattform sind bereits gängig. Webinare, Experten-Interviews, Blogs und andere fachspezifische Inhalte sollen folgen, um die Kunden das ganze Jahr bei der Stange zu halten. Damit sie auch 2024 auf die Messe Frankfurt kommen, um die Produkte live zu erleben und neue Geschäfte per Handschlag zu besiegeln.

Von Christian Ebner, dpa