60.000 Quadratmeter Einkaufsfläche mitten in Berlin – das entspricht etwa acht Fußballfeldern mit hochwertigen Kleidern, Schuhen, Handtaschen und Feinkost. Die Größe des «Kaufhaus des Westens» ist beeindruckend, wohl kaum ein Reiseführer kommt ohne das KaDeWe aus, wie es seit mehr als 100 Jahren genannt wird. Für Berlin ist das KaDeWe Sehnsuchtsort, Symbol für Luxus, Sehenswürdigkeit. Diesem Gefühl kann auch eine Insolvenz nichts anhaben. Oder doch?
Heute hat das gleichnamige Handelsunternehmen, zudem auch das Oberpollinger in München und das Alsterhaus in Hamburg gehören, mitgeteilt, dass es ein Insolvenzverfahren angemeldet hat. Ziel sei es, auf diesem Weg in Eigenverwaltung einen Neuanfang zu schaffen. Die gute Nachricht für alle Kunden: Schließen sollen die drei Häuser nicht. Das Handelsunternehmen will sich über das Insolvenzverfahren eigenen Angaben zufolge vor allem von hohen Mieten befreien.
Denn eigentlich läuft das Geschäft mit Luxus. Selbst in der Hochphase der Corona-Pandemie berichteten Luxusmarken von guten Umsätzen – wer es sich leisten kann, gönnt sich gerne etwas.
Im KaDeWe selbst war keine Krisenstimmung zu spüren. «Es hat eine große Tradition, es ist sehr groß. Wir gehen viel lieber in ein Kaufhaus als in eine Mall, wo man lauter einzelne Geschäfte hat. Hier kann man auch mal bummeln», sagte ein Kunde. «Das KaDeWe ist halt Berlin für mich», meinte eine Touristin aus Rheinland-Pfalz. Und die Befragten waren sich einig: Wenn das KaDeWe schließen müsste, würde der Stadt etwas fehlen.
Handelsverband: KaDeWe «der große Brillant»
Im Geschäftsjahr 2022/2023 machte die KaDeWe Group eigenen Angaben zufolge knapp 728 Millionen Euro Umsatz, ein Plus von fast 24 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Geschäftsjahr 2018/2019. «Das KaDeWe ist die Preziose, ist der große Brillant in der Krone des deutschen Handels und wird es auch immer bleiben», schwärmte Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg im RBB-Inforadio. Das Insolvenzverfahren gebe dem Unternehmen nun die Möglichkeit, Verbindungen und Verträge auf den Prüfstand zu stellen.
Insbesondere die Mieten sind zur Last für die Kaufhäuser geworden. Im Vergleich zum Geschäftsjahr 2018/19 seien sie um fast 37 Prozent gestiegen, erklärte die KaDeWe Group.
«Die Umsatzmietbelastung ist an allen Standorten hoch, am höchsten in München mit circa 20 Prozent nach unseren Einschätzungen», schätzt Johannes Berentzen von der Handelsberatung BBE. «Das Alsterhaus schätzen wir mit circa 17 Prozent ein – auch das wäre viel zu hoch. Das KaDeWe steht mit circa 13 Prozent Mietbelastung gemessen am Umsatz noch am besten dar.» Auch er ist überzeugt, dass alle drei Häuser bestehen bleiben: «Luxus funktioniert trotz aktueller Wirtschaftslage sehr gut.» Berentzen rechnet damit, dass die Central Group nun versuchen wird, sich die Gesamtanteile an der KaDeWe Group und den Grundstücken zu sichern.
KaDeWe künftig ein rein thailändisches Unternehmen?
Die 1947 gegründete Central Group hält derzeit 50,01 Prozent an der The KaDeWe Group GmbH. Die restlichen Anteile gehören der in Schieflage geratenen Signa des Österreichers René Benko.
Die Central Group ist ein Mischkonzern im Besitz der Familie Chirathivat, die zu den reichsten Familien Thailands zählt. Forbes schätzte ihr Vermögen 2023 auf 12,4 Milliarden Dollar (11,4 Mrd Euro). Die Gruppe mit Sitz in Bangkok ist hauptsächlich in den Branchen Einzelhandel, Hotels und Restaurants aktiv und betreibt unter anderem Supermärkte und Kaufhausketten. Neben ihren Anteilen an Warenhäusern in Deutschland ist die Central Group im Ausland unter anderem an La Rinascente in Italien, Selfridges in Großbritannien und Globus in der Schweiz beteiligt. Nun hat Chef Tos Chirathivat (59) die Möglichkeit, sich sämtliche Anteile am KaDeWe zu schnappen.
Feinkostabteilung mit 35 000 Produkten
Damit hätte er wohl eines der wenigen Kaufhäuser ganz im Portfolio, dem eine eigene TV-Serie gewidmet wurde – vor gut zwei Jahren platzierte die ARD eine lesbische Liebesgeschichte zwischen die Kleiderstangen im KaDeWe der 1920er Jahre. Es ist nur eines der Kapitel, mit denen das KaDeWe zum Aushängeschild wurde. Besonders die Feinkostabteilung in der sechsten Etage wird von Touristen und Berlinern gern besucht. Zwischen Luxus-Klassikern wie Austern, Hummer, Kaviar und Champagner gibt es hier auch ausgefallene Spezialitäten. Ein Genuss für die Sinne, aber nicht für den Geldbeutel.
Das «Kaufhaus des Westens» ist deutlich älter als der Kalte Krieg, nach dem sein Name klingt. Die Tauentzienstraße und das von Emil Jaudt entworfene Warenhaus lagen zur Eröffnung am 27. März 1907 in einer großbürgerlichen Wohngegend, abseits der Einkaufsmeile am Potsdamer Platz. Gründer Adolf Jandorf ahnte aber, dass sich der nahe gelegene Kurfürstendamm zur Einkaufsadresse mausern würde. Das KaDeWe wurde schnell zum Ziel von Familienausflügen. Vor dem Haus tummelten sich die Flaneure. «Ein Boulevard für flirtende Backfischlein», schrieb der Chronist Leo Colze 1908 über die Gegend am Wittenbergplatz. «Hier weht Weltstadtluft».
6,50 Meter hohe Riesentorte zum 100.
Das KaDeWe ist auch ein Stück deutsche Geschichte. 1927 verkaufte Jandorf an die jüdische Kaufmannsfamilie Hermann Tietz. In der Nazi-Zeit wurden die Eigentümer aus der Geschäftsleitung verdrängt, aus dem Namen der Kaufmannsfamilie entstand «Hertie». 1943 stürzte ein amerikanisches Flugzeug ins KaDeWe, das Gebäude lag in Trümmern. 1950 kam der Neuanfang, in der Adenauer-Ära wurde das Warenhaus zum Sinnbild für Konsum und Kaufkraft. Zur Geburtstagsfeier zum 100. stürmten die Berliner im März 2007 das Haus und holten sich Stücke von einer 6,50 Meter hohen Riesentorte ab.
Seit dem 100er hat sich schon wieder viel getan im KaDeWe. Zuletzt wurde das Kaufhaus von 2016 an jahrelang für zig Millionen Euro umgebaut – der Neustart wurde dann mit reichlich Schampus gefeiert. Konzeptionell ist das Kaufhaus also auf dem neusten Stand. Vor einigen Monaten wurde dann bekannt, dass die Galeries Lafayette Berlin Ende 2024 verlassen werden. Ein Luxus-Konkurrent weniger – für das KaDeWe dürfte das keine schlechte Nachricht gewesen sein.
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