Nach dem vorläufigen Stopp des umstrittenen Heizungsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht ringt die Ampel-Koalition um das weitere Verfahren. Hausbesitzer und Mieter warten weiterhin auf Klarheit.
Die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP berieten darüber, wie es weitergehen soll. Möglich ist eine Sondersitzung in der Sommerpause, die nach diesem Freitag beginnt – dazu gibt es aber aus der FDP kritische Stimmen. Die Opposition sieht die Koalition vor einem «Scherbenhaufen». Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann, der den erfolgreichen Eilantrag in Karlsruhe eingereicht hatte, sprach sich für Änderungen in Gesetzgebungsverfahren aus – damit es künftig mehr Zeit für Beratungen und keine «Last-Minute-Gesetze» mehr gibt.
Keine 48 Stunden vor dem geplanten Parlamentsbeschluss zum Heizungsgesetz hatte das Bundesverfassungsgericht das Vorhaben im Eilverfahren gestoppt. Die für Freitagmorgen geplante zweite und dritte Lesung im Bundestag dürfe nicht in der laufenden Sitzungswoche stattfinden, teilte das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe am Mittwochabend mit. Es machte Zweifel geltend, dass die Rechte der Abgeordneten in den Beratungen ausreichend gewahrt wurden.
Heilmann hatte eine einstweilige Anordnung beantragt, um dem Bundestag die abschließende Beratung und Abstimmung über das Gesetz zu untersagen, wenn der Gesetzentwurf den Abgeordneten nicht mindestens 14 Tage vorher schriftlich vorliegt – was nicht der Fall war.
Kritik an der Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens
Heilmann argumentierte, seine Rechte als Abgeordneter seien durch das Gesetzgebungsverfahren erheblich verletzt worden. «Die Ampel ruiniert die Wärmewende mit einem Last-minute-Gesetzespaket und einem verfassungswidrigen Verfahren», warf er der Koalition vor. Wegen der maximal verkürzten Beratungen zur Gesetzesnovelle könne man keine konzeptionellen Schwächen des Gesetzespakets aufzeigen und ändern.
Dazu erklärte das Gericht, Heilmanns Hauptsacheantrag im Organstreitverfahren erscheine mit Blick auf sein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Artikel 38 des Grundgesetzes weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. «Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten.»
Diskussion über das weitere Vorgehen
Für das weitere Verfahren gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder trifft sich der Bundestag zu einer Sondersitzung in der Sommerpause – oder der Beschluss wird auf die Zeit ab September vertagt, wenn der Bundestag regulär wieder zusammenkommt.
Am Abend der Entscheidung konnte sich die Ampel noch nicht auf eine erste gemeinsame Reaktion verständigen, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kündigte eine Beratung mit seinen Kollegen von Grünen und FDP zum weiteren Vorgehen für heutge an.
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, sieht eine Sondersitzung des Bundestages skeptisch. «Der Bundestag sollte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts respektieren und nun nicht hektisch Sondersitzungen einberaumen», sagte Kruse der Deutschen Presse-Agentur. Für die Menschen spiele es eine untergeordnete Rolle, ob das Heizungsgesetz vor oder nach der Sommerpause verabschiedet werde. «Viel wichtiger ist: Es ist nun dank der fundamentalen Änderungen ein gutes Gesetz.»
CDU-Chef Friedrich Merz hat gemeinsame Gespräche angeboten. Merz sagte am Rande einer Plenardebatte im Bundestag, es gebe allen Grund, das Gesetz nun «inhaltlich sauber» zu beraten und vielleicht sogar auf das Ziel auszurichten, eine breite parlamentarische Mehrheit für einen «so tiefen Eingriff» in die privaten Haushalte in Deutschland zu bekommen. Die Union biete der Koalition aus SPD, Grünen und FDP ausdrücklich an, noch einmal gemeinsam darüber zu beraten, wie das Gebäudeenergiegesetz noch einmal verbessert werden könnte.
Kritik und Reaktionen der Opposition und anderer Parteien
Zuvor wertete Merz das Karlsruher Urteil als «schwere Niederlage für die Bundesregierung von (Kanzler) Olaf Scholz». CDU-Bundesvize Andreas Jung sagte: «Die Ampel steht jetzt vor dem Scherbenhaufen ihrer Augen-zu-und-durch-Mentalität. Das verloren gegangene Vertrauen kann nicht mit dem Durchdrücken des unveränderten Gesetzes in einer Sondersitzung im Sommer wieder hergestellt werden». Nicht nur im Verfahren, auch in der Sache brauche es einen grundlegend neuen Anlauf.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Stefan Müller, sagte der dpa: «Eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages in der Sommerpause würde den Steuerzahler Millionen kosten. Dabei ist beim verkorksten Heizungsgesetz keine Eile, sondern Gründlichkeit geboten.»
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) – das sogenannte Heizungsgesetz – soll am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Um die Novelle hatte es monatelange, harte Auseinandersetzungen gegeben. Vor allem die FDP hatte grundlegende Nachbesserungen am ursprünglichen Gesetzentwurf verlangt. Noch vor der ersten Lesung im Bundestag vereinbarte die Ampel weitere Änderungen, die sie in teils vage formulierten «Leitplanken» festhielt – ein sehr ungewöhnliches Verfahren, das dazu führte, dass eine erste Expertenanhörung zu dem zu diesem Zeitpunkt schon veralteten ursprünglichen Gesetzentwurf stattfand.
Die Koalitionsfraktionen legten dann dem Bundestag am Freitag vergangener Woche Änderungsanträge zum ursprünglichen Gesetzentwurf vor. An diesem Freitag sollte das Heizungsgesetz im Bundestag beschlossen werden.
Das Gesetz sieht im Kern vor, dass Hausbesitzer mehr Zeit bekommen sollen für den Heizungstausch, der ein wesentlicher Beitrag sein soll für mehr Klimaschutz im Gebäudesektor.
Nach dem GEG sollen künftig nur noch Heizungen neu eingebaut werden dürfen, die auf die Dauer zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Die Regelungen sollen aber von 2024 an unmittelbar erst einmal nur für Neubaugebiete gelten. Für Bestandsbauten soll der Dreh- und Angelpunkt eine verpflichtende und flächendeckende kommunale Wärmeplanung sein – auf dieser Grundlage sollen Hausbesitzer entscheiden können, was sie machen. Die Kosten des Umstiegs sollen mit bis zu 70 Prozent aus Steuermitteln gefördert werden – ein genaueres Konzept gibt es aber noch nicht.
Der CDU-Abgeordnete Heilmann sagte, ihm gehe es nicht darum zu sagen, es sei nicht mehr Klimaschutz in Gebäuden notwendig. Er kritisierte aber, dass die Verfahren des Bundestags seit längerem an Übereilung und an Hetze litten und damit an mangelnder Sorgfalt. Heilmann nannte die Entscheidung des Verfassungsgerichts einen «Weckruf» für den Bundestag.
Forderungen nach Änderungen im Gesetzgebungsverfahren
Heilmann sprach sich für Änderungen der Geschäftsordnung des Bundestags aus, damit künftig mehr Zeit für Beratungen bleibt – und nicht erst Anträge in der Nacht vor Entscheidungen an Abgeordnete übermittelt werden. Es brauche zum Beispiel eine Mindestzeit für den zuständigen Ausschuss, um sich mit Plänen zu befassen. Falls es Änderungen gebe, könne er sich sehr gut vorstellen, seine Klage fallen zu lassen.
Die fehlende Sorgfalt und das übereilte Tempo beim Heizungsgesetz hätten dem Ansehen der Demokratie geschadet, sagte Heilmann weiter. Er hält nicht nur eine Sondersitzung des Bundestags für nötig, sondern auch eine erneute Expertenanhörung sowie Beratungen im zuständigen Bundestagsausschuss.
Heilmann sagte, er habe mit seinem erfolgreichen Eilantrag der Ampel-Koalition «einen Gefallen getan». Wenn das Gesetzgebungsverfahren nicht ordentlich ablaufe, entstehe die Gefahr, ein formell verfassungswidriges Gesetz zu beschließen. «Eine Verfassungsbeschwerde zu diesem Gesetz kommt so sicher wie das Amen in der Kirche», so Heilmann. «Eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Gesetz hätte Erfolg gehabt.» Dann wäre das Gesetz später aufgehoben worden, was für den Klimaschutz «die allerschlechteste Lösung» gewesen wäre.
Heilmann bestätigte, dass sich auch AfD-Politiker seinem Verfahren angeschlossen hätten. Er habe dem widersprechen wollen, das sei aber nicht möglich gewesen. Wie ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts sagte, sind dem Antrag elf Mitglieder der AfD-Bundestagsfraktion beigetreten. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel schrieb auf Twitter, die Ampel habe das Gesetz durch den Bundestag «peitschen» wollen.
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