Der neue Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sieht die gestiegenen Teuerungsraten mit Sorge und verspricht einen entschiedenen Einsatz für eine stabile Währung.
Er sehe «derzeit eher die Gefahr, dass die Inflationsrate länger erhöht bleiben könnte als gegenwärtig erwartet», sagte Nagel am Dienstag bei einer im Internet übertragenen Feier anlässlich der Amtsübernahme von Vorgänger Jens Weidmann. Der mittelfristige Preisausblick sei «außergewöhnlich unsicher». Nagel betonte an die Adresse der Europäischen Zentralbank: «Bei aller Unsicherheit ist eines ganz klar: Wenn es die Preisstabilität erfordert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpolitischen Kurs anpassen.»
In den vergangenen Monaten sind die Inflationsraten kräftig gestiegen. In Deutschland lagen die Verbraucherpreise im Dezember um 5,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Damit erreichte die Teuerungsrate in Europas größter Volkswirtschaft den höchsten Stand seit Juni 1992. Im Euroraum insgesamt erreichte die Inflation mit 5 Prozent das höchste Niveau seit der Euro-Einführung.
Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro weniger kaufen können als zuvor. Kritiker werfen der EZB vor, mit ihrer ultralockeren Geldpolitik inklusive milliardenschwerer Anleihenkäufe die Teuerung anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will. Die Notenbank strebt 2 Prozent Inflation an und ist zeitweise bereit, ein moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren.
«Die Menschen in Deutschland erwarten auch zu Recht, dass die Bundesbank eine hörbare Stimme der Stabilitätskultur ist», sagte Nagel. «Ich kann ihnen versichern: Das wird sie auch bleiben.»
Vorgänger Weidmann hatte sich immer wieder kritisch zur ultralockeren Geldpolitik geäußert. Vor allem die Anleihenkäufe sah Weidmann mit Skepsis und warnte, die EZB dürfe die Regierungen nicht vom billigen Geld abhängig machen. Am Dienstag bilanzierte er, die Geldpolitik sei nie ganz aus dem Krisenmodus herausgekommen: «Der permanente Ausnahmezustand hat Spuren hinterlassen. Das Koordinatensystem hat sich verschoben.»
EZB-Präsidentin Christine Lagarde versicherte bei der Amtswechselfeier: «Uns ist bewusst, dass steigende Preise vielen Menschen Sorge bereiten, und wir nehmen diese Sorge sehr ernst. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass wir unerschütterlich an unserem Preisstabilitätsziel festhalten.» Der EZB-Rat stehe geschlossen hinter diesem Ziel.
«Stabilitätsorientierte Geldpolitik»
Die Ampel-Koalition berief den 55-jährigen Volkswirt Nagel, nachdem der 53-jährige Weidmann nach gut zehn Jahren das Amt aus persönlichen Gründen zum Ende vergangenen Jahres vorzeitig abgegeben hatte. Nagel arbeitete von 1999 an bereits viele Jahre bei der Bundesbank, zuletzt als Vorstand. Nach einer Station bei der staatlichen Förderbank KfW war er zuletzt bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich tätig.
Bundesfinanzminister Christian Lindner äußerte sich überzeugt, dass Nagel für einen Kurs geldpolitischer Kontinuität bei der Bundesbank stehen wird. «Stabilitätsorientierter Geldpolitik kommt gerade in diesen Zeiten eine hohe Bedeutung zu.»
Nagel sprach sich in seiner Antrittsrede zudem dafür aus, bei der Geldpolitik finanzielle Risiken aus Klimawandel und -politik stärker in den Blick zu nehmen, etwa bei der Bewertung von Vermögenswerten, die Banken als Sicherheiten hinterlegen, oder beim Kauf von Wertpapieren. Auch EZB-Präsidentin Lagarde will dem Klimaschutz in der Geldpolitik größeres Gewicht geben.
Eine baldige Wende hin zu höheren Zinsen sollten Deutschlands Sparer aber nach dem Wechsel an der Bundesbank-Spitze nicht erwarten. Nagel hat im EZB-Rat wie die Vertreter der anderen 18 Euroländer nur eine Stimme – auch wenn Deutschland Europas größte Volkswirtschaft ist. Und die lockere Geldpolitik hat im obersten Entscheidungsgremium der Zentralbank viele Befürworter. Die erste geldpolitische Sitzung des EZB-Rates im neuen Jahr ist für den 3. Februar angesetzt.
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