Beim Streaming-Riesen Netflix neigt sich die Ära von Firmengründer Reed Hastings dem Ende zu. Nach mehr als zwei Jahrzehnten hat sich der 62-Jährige aus dem Top-Management zurückgezogen, wie das Unternehmen am Donnerstag nach US-Börsenschluss bekanntgab. Der Rücktritt folgte auf ein überraschend starkes Schlussquartal. Nicht zuletzt dank des Erfolgs der Doku-Serie «Harry & Meghan» fiel das Nutzerwachstum beim Online-Videodienst zum Jahresende deutlich besser als erwartet aus. Bei Anlegern kamen die Neuigkeiten zunächst sehr gut an.
«Selbst Gründer müssen sich weiterentwickeln!», schrieb Hastings im Firmenblog. Er bildete bei Netflix seit 2020 eine Vorstands-Doppelspitze mit dem langjährigen Top-Manager Ted Sarandos. Nun tritt Hastings in den Hintergrund, dürfte als geschäftsführender Verwaltungsratsvorsitzender aber großen Einfluss behalten. Zu seinem Nachfolger als Co-Chef an der Seite von Sarandos beförderte Netflix Greg Peters, der bislang im Vorstand das Tagesgeschäft verantwortete. Hastings erklärte, dass er den beiden in den vergangenen zweieinhalb Jahren ohnehin schon zunehmend das Management überlassen habe.
Nachdem das vergangene Jahr über weite Strecken enttäuschend für Netflix verlaufen war, fiel der Abschluss wesentlich besser aus als angenommen. In den drei Monaten bis Ende Dezember gewann der Streaming-Service unterm Strich 7,66 Millionen neue Kunden hinzu – Analysten hatten im Schnitt lediglich mit 4,5 Millionen gerechnet. Insgesamt brachte es Netflix zum Jahresende auf 230,75 Millionen Nutzerkonten. Neben «Harry & Meghan» konnte der Videodienst auch mit der Serie «Wednesday» sowie den Filmen «Troll» und «Glass Onion» punkten. Auch mit dem Start des günstigeren werbefinanzierten Abos, das seit November verfügbar ist, zeigte sich Netflix zufrieden.
«2022 war ein schwieriges Jahr mit einem holprigen Start, aber einem glänzenderen Abschluss», hieß es im Geschäftsbericht mit Blick auf die schwache erste Jahreshälfte. Netflix hatte zu Beginn der Corona-Pandemie einen regelrechten Kundenansturm erlebt, geriet danach aber in eine Krise mit zwischenzeitlichem Kundenschwund. Die Konkurrenz durch finanzstarke Wettbewerber wie Walt Disney oder Amazon nahm zu und durch die hohe Inflation saß das Geld bei Kunden nicht mehr so locker. Inzwischen läuft es bei Netflix jedoch wieder besser: Die Erlöse wuchsen im vierten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund zwei Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar (7,3 Mrd Euro).
Der Nettogewinn brach zwar von 607 Millionen auf 55 Millionen Dollar ein, dafür stellte Netflix für das laufende Vierteljahr einen Anstieg auf 1,3 Milliarden Dollar in Aussicht. Beim Umsatz rechnet das Unternehmen mit einem Zuwachs auf 8,2 Milliarden Dollar. Insgesamt lag der Quartalsbericht deutlich über den Prognosen der Wall-Street-Experten. Die Aktien von Netflix reagierten nachbörslich mit einem Plus von über sieben Prozent. In den vergangenen drei Monaten hat der Kurs bereits um knapp 18 Prozent zugelegt. Vor einem Jahr notierte er allerdings trotzdem noch 38 Prozent höher.
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