21. November 2024

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Nigerianerin Okonjo-Iweala wird Chefin der WTO

Die neue WTO-Chefin Okonjo-Iweala hat jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklungspolitik. Sie sieht in fairem Welthandel einen Weg zu mehr Wohlstand. Doch die Organisation ist in einer schweren Krise.

Nach dem Ende einer monatelangen US-Blockade ist die nigerianische Entwicklungsökonomin Ngozi Okonjo-Iweala zur neuen Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO) ernannt worden.

Die Entscheidung der 164 Mitgliedsländer fiel bei einer Online-Sitzung der WTO-Botschafter in Genf einstimmig. Die USA hatten der 66-Jährigen unter Ex-Präsident Donald Trump im Herbst als einziges Land die Zustimmung verweigert. Trumps Nachfolger Joe Biden hob den Widerstand auf. Sie tritt ihr Amt am 1. März an.

«Es kann bei der WTO kein «weiter so wie bisher» geben», sagte Okonjo-Iweala und kündigte weitreichende Reformen an. Die Organisation ist in einer tiefen Krise, mit Grabenkämpfen zwischen Ländern des Südens und des Nordens und ungelösten Handelsstreitigkeiten zwischen den USA, China, der EU und viele anderen.

Mit Okonjo-Iweala tritt erstmals eine Frau und erstmals eine Vertreterin des afrikanischen Kontinents an die Spitze der 1995 gegründeten Organisation. Die WTO will die Liberalisierung des Welthandels unter fairen und nachhaltigen Bedingungen fördern. Okonjo-Iweala sieht Handel nach eigenen Angaben als Motor für Wohlstand, Widerstandskraft und nachhaltiges Wachstum.

Eine ihrer Prioritäten sei die Frage, wie die WTO nach der Coronavirus-Pandemie zur Erholung der Weltwirtschaft beitragen könne, sagte Okonjo-Iweala. Sie signalisierte Unterstützung für Bemühungen, dass Corona-Impfstoffe in mehr Ländern hergestellt werden als zur Zeit. Es gibt einen Vorstoß von Indien und Südafrika bei der WTO, Patente vorübergehend auszusetzen. Die EU, die USA und andere Länder sind strikt dagegen. Die Organisation müsse reformiert werden, zum Beispiel, dass die Organisation Entscheidungen immer im Konsens treffe, sagte sie. «Wir können wir sicherstellen, dass Konsensfindung einer Innovation nicht im Wege steht?» sagte sie.

Okonjo-Iweala hat umfangreiche internationale Erfahrung: Sie war zweimal Finanzministerin von Nigeria und 25 Jahre lang bei der Weltbank in Washington, wo sie zur Nummer zwei aufstieg. Zuletzt leitete sie den Verwaltungsrat der internationalen Impfinitiative GAVI, die die faire Verteilung der Corona-Impfstoffe weltweit koordinieren soll. Sie folgt auf Roberto Azevêdo, der im Sommer 2020 vorzeitig zurückgetreten ist. Er wechselte zum US-Getränkehersteller Pepsico.

Okonjo-Iweala übernimmt die WTO in deren schwerster Krise. Seit dem Scheitern der 2001 gestarteten Doha-Runde gab es keine größeren Handelsliberalisierungen mehr. Eine der größten Errungenschaften der WTO, die Streitschlichtung bei Handelsdisputen, ist gelähmt, weil die USA seit Jahren die Ernennung neuer Berufungsrichter blockieren. Die Berufungsinstanz ist deshalb seit Dezember 2019 handlungsunfähig. Die Kritik an der Handhabe der Berufungsrichter begann schon unter Präsident Barack Obama. Die USA verlangen Reformen, legten aber wenig konkrete Forderungen vor. Reformbedarf sehen auch andere Länder.

Um in der schwierigen Situation zu vermitteln, sei politisches Geschick gefragt, meinte die Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Lisandra Flach. Diese zentrale Eigenschaft bringe Frau Okonjo-Iweala mit. Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie, bezeichnete die Entscheidung als «Befreiungsschlag für dringend notwendige Reformen und ein Hoffnungszeichen für den internationalen regelbasierten Handel». Er rief die Ökonomin zu mutigen Schritten auf. «Oberste Priorität für Ngozi Okonjo-Iweala muss die Reform der Streitschlichtung haben. Nur ein reformierter WTO-Mechanismus legt Handelskonflikte wieder nach klaren und verbindlichen Verfahren bei.»