Die EU-Kommission muss den Verkauf des Nürburgrings 2014 erneut unter die Lupe nehmen. Sie prüfte nach Ansicht des höchsten EU-Gerichts nicht ausreichend, ob die einst staatliche Anlage zu Unrecht günstiger als möglich verkauft wurde.
Der Autozulieferer Capricorn erhielt 2014 für rund 77 Millionen Euro den Zuschlag für die legendäre Rennstrecke in der Eifel, in deren Ausbau mitsamt einem neuen Freizeitpark das Land Rheinland-Pfalz fast eine halbe Milliarde Euro gesteckt hatte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) teilte am Donnerstag mit, es habe «Anlass zu Bedenken» gegeben, die die EU-Kommission hätten veranlassen müssen, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten.
Die Wettbewerbshüter der EU hatten entschieden, dass bestimmte Beihilfen zwar unzulässig waren, aber nicht zurückgefordert werden können. Das Bieterverfahren beim Verkauf sei zudem offen, transparent und diskriminierungsfrei und der Preis marktgerecht gewesen. Kläger in den zugrundeliegenden Verfahren waren der Verein «Ja zum Nürburgring» und das US-Unternehmen Nexovation. Sie wollten die Strecke selbst erwerben, kamen aber nicht zum Zuge. «Ja zum Nürburgring» erklärte, die Rennstrecke sollte womöglich über eine Stiftung noch mehr der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, anstatt sich in den Händen eines gewinnorientierten Investors zu befinden.
Vorzugsbehandlung nicht auszuschließen
Der Fehler beim Verkauf war laut EuGH, dass die EU-Kommission zu Unrecht davon ausging, dass das Angebot von Capricorn von einer Bank garantiert war. «Dieser Fehler lässt Zweifel an der Diskriminierungsfreiheit des Bietverfahrens aufkommen», befanden die höchsten EU-Richter. Denn der Fehler könnte belegen, «dass Capricorn eine Vorzugsbehandlung erhalten hat und ihr Angebot nicht abgelehnt wurde, während das höhere Angebot von Nexovation wegen fehlenden Finanzierungsnachweises ausgeschlossen wurde».
Die EU-Kommission muss nun erneut prüfen, ob der Verkauf «mit der Gewährung einer staatlichen Beihilfe verbunden war», wie der EuGH erklärte. Welches Ergebnis und welche Auswirkungen ein neues Prüfverfahren hat, steht noch nicht fest. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilte die EU-Kommission mit, man habe das Urteil zur Kenntnis genommen, werde es sorgfältig studieren und über nächste Schritte nachdenken.
Verkaufsverfahren «als Farce entlarvt»
Der Vorsitzende des Vereins «Ja zum Nürburgring», Dieter Weidenbrück, kommentierte: «Die Entscheidung des EuGH untermauert unsere Kritik am Verkaufsverfahren.» Es sei für den Verein nicht nachvollziehbar, «warum erst die letzte Instanz bemüht werden musste, um die offensichtlich unzureichende Finanzierungslage der Käufer korrekt einzuordnen. Das Verkaufsverfahren ist nun endgültig als Farce entlarvt.»
Bei der neuen Prüfung der EU-Kommission dürfte es kaum möglich sein, die damalige Finanzierung als gesichert und somit den Verkaufsprozess als fair und EU-konform einzuordnen. Der Verein dringe darauf, die «Zukunft des automobilen Kulturguts und den Zugang für den Breitensport langfristig sicherzustellen».
Die vor fast 100 Jahren in Betrieb genommene Rennstrecke in staatlicher Hand ging 2012 pleite. Daher wurde sie verkauft. Inzwischen gehört sie einer Holding des russischen Unternehmers Viktor Charitonin. Die Betreiberfirma des Nürburgrings hat die Asphaltschleife auf zahlreiche wirtschaftliche Standbeine gestellt – neben Motorsport gibt es hier auch in Corona-Zeiten beispielsweise Testfahrten der Autobranche und Firmenveranstaltungen. Hinzu kommen Fahrten von Hobby-Rennfahrern mit eigenen Autos auf dem Nürburgring. Das legendäre Musikspektakel «Rock am Ring» dagegen ist schon zwei Jahre in Folge der Pandemie zum Opfer gefallen.
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