Keine Chemie auf dem Acker, selbst angebautes Futter für die Tiere auf dem Hof: Der Ökolandbau in Deutschland legt weiter zu und macht erstmals mehr als zehn Prozent der gesamten Agrarfläche aus.
Das geht aus neuen Daten für 2020 des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervor. Auf schonend-biologische Weise wirtschaften inzwischen bundesweit 35.400 Betriebe. Das sind 13,5 Prozent aller Höfe, nachdem es 2019 noch 12,9 Prozent gewesen waren. Und auch bei den Verbrauchern wächst die Nachfrage nach Eiern, Gemüse und anderen Bio-Produkten – die allerdings immer noch teurer sind.
Ministerin Julia Klöckner (CDU) sagte in Berlin, der ökologische Landbau gewinne weiter an Bedeutung. «Der Trend ist stabil.» Eine Fläche von umgerechnet mehr als 123.000 Fußballfeldern sei allein im vergangenen Jahr hinzugekommen. Der Bio-Anteil an der gesamten deutschen Agrarfläche stieg auf 10,3 Prozent nach 9,7 Prozent Ende 2019 und 6,5 Prozent 2015. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist ein Öko-Flächenanteil von 20 Prozent bis 2030.
Hier gibt es die höchsten Anteile
Und es gibt auch ziemliche regionale Unterschiede: Den höchsten Anteil hat weiter das Saarland mit 19,4 Prozent gefolgt von Hessen mit 15,9 Prozent und Brandenburg mit 14,4 Prozent – jeweils gemessen an der gesamten Agrarfläche des Landes. Bio-Schlusslicht bleibt Niedersachsen mit 5,2 Prozent.
Um Landwirten die Umstellung auf bio zu erleichtern, setzt Klöckner auf Förderzahlungen – und Forschung, um die aufwendigere Arbeitsweise effizienter und damit kostengünstiger zu machen. «Am Ende sind auch Ökolandwirte Betriebswirtschaftler. Es muss sich rechnen, was sie tun.» Konkret gibt es laut Ministerium pro Hektar 250 Euro als Prämie für die Umstellung und bis zu 210 Euro je Hektar für das Beibehalten der Öko-Produktion – zusätzlich zur «normalen» Zahlung für alle Betriebe aus der EU-Agrarfinanzierung von 283 Euro pro Hektar.
Gesteigertes Interesse am Umstieg
Bei vielen Landwirten gibt es Interesse an einem Umstieg, der aber keine ganz leichte Operation ist. Bauernpräsident Joachim Rukwied sprach von einer sehr guten Entwicklung bei bio. Er sei auch sicher, dass weitere Höfe umstellen werden. Am Ende entscheide das aber die Betriebsleiterfamilie je nach ihren Voraussetzungen. Und die Förderung sei auch notwendig. Denn beim Umstellen gebe es zunächst zwei Übergangsjahre, in denen man schon biologisch wirtschaften müsse. Als «Bioware» gelten die Produkte dann jedoch erst im 3. Jahr.
Verbraucherschützer und Opposition überzeugt das Tempo ohnehin nicht. Nach 20 Jahren sei bio «immer noch Nische», monierte die Organisation Foodwatch. Statt vergeblich auf den großen Bio-Boom zu warten und sich mit Appellen an die Verantwortung der Verbraucher zu begnügen, sollte Klöckner einen Umbau der gesamten Landwirtschaft vorantreiben. Zudem sollte das Verursacherprinzip gelten, sagte Foodwatch-Gründer Thilo Bode der Deutschen Presse-Agentur. «Das würde umweltfreundlich erzeugte Produkte relativ günstiger gegenüber Produkten machen, deren Herstellung hohe Umweltschäden verursacht.» Die Grünen forderten mehr Beratung und Förderung für regionale Verarbeitung und Vermarktung.
6,4 Prozent Bio-Lebensmittel
Nach Branchendaten wuchs der deutsche Markt für Bio-Lebensmittel im vergangenen Jahr auf knapp 15 Milliarden Euro. Der Anteil am gesamten Lebensmittelmarkt lag bei 6,4 Prozent. Da sei noch «Luft nach oben», meinte nicht nur Bauernpräsident Rukwied. Dabei ist der Preisabstand vor allem bei Fleisch immer noch beträchtlich: Wenn Verbraucher aktuell zum Beispiel für Hähnchenbrustfilet 7,15 Euro pro Kilogramm zahlen – oder eben mehr als 29 Euro pro Kilogramm für bio.
Klöckner setzt auch auf mehr Bio-Lebensmittel beim Außer-Haus-Verkauf und in großen Küchen wie Mensen. Dazu kommt die Erkennbarkeit: Vor 20 Jahren wurde dafür ein sechseckiges deutsches Bio-Siegel eingeführt, das freiwillig und zusätzlich zu dem seit 2010 verpflichtenden EU-weiten Bio-Logo verwendet werden kann. Es nutzen derzeit mehr als 6000 Anbieter mit fast 93 000 Produkten. Das zeige, «welche enorme Hebelwirkung ein freiwilliges staatliches Positivkennzeichen haben kann», sagte Klöckner. Das hatte sie auch mit einem Tierwohl-Logo geplant – es kam in der großen Koalition aber nicht mehr zustande.
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