3. Dezember 2024

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Ökonomen: Befürchtete Rezession könnte doch ausbleiben

Ökonomen: Befürchtete Rezession könnte doch ausbleiben

Nach der Pandemie hatten viele auf eine Erholung der Wirtschaft gehofft - doch dann begann der Ukraine-Krieg. Die Auswirkungen dürften zwar auch 2023 noch zu spüren sein - aber dann nicht mehr so stark.

Energiekrise, Inflationsschock, Unsicherheit: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat erhebliche Folgen auch für Verbraucher und Unternehmen hierzulande.

Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung vieler Ökonomen 2023 schrumpfen, die Teuerung dürfte zunächst hoch bleiben. Dennoch ist das Bild längst nicht mehr so düster wie vor Monaten – auch weil der Staat mit Preisbremsen und milliardenschweren Entlastungspakten gegensteuert.

Konjunktur: Die deutsche Wirtschaft steht trotz Gegenwinds bislang besser da als zunächst gedacht. Im dritten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) überraschend um 0,4 Prozent zum Vorquartal. Die Sorge vor einem schweren Konjunktureinbruch im kommenden Jahr schwindet zunehmend. «Die konjunkturellen Rahmenbedingungen haben sich deutlich entspannt», sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Geringer Rückgang des BIPs prognostiziert

Viele Volkswirte gehen inzwischen von einer vergleichsweise milden Rezession im kommenden Jahr aus. Sie erwarten im Gesamtjahr 2023 einen BIP-Rückgang um weniger als ein Prozent. Zum Vergleich: Im Corona-Krisenjahr 2020 war die Wirtschaftsleistung in Europas größter Volkswirtschaft um mehr als vier Prozent geschrumpft. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) erwartet für 2023 sogar ein leichtes Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent – auch dank staatlicher Energiepreisbremsen.

Inflation: Inflationsraten von um die 10 Prozent belasten Verbraucher und Unternehmen in Deutschland. Die Bundesbank macht den Menschen vorerst wenig Hoffnung auf deutlich sinkende Preise. «Die Inflation ist hoch und wird nur nach und nach zurückgehen», sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel. Für 2023 rechnet die Bundesbank mit einem Rückgang der Inflation von durchschnittlich 8,6 Prozent im Jahr 2022 auf dann 7,2 Prozent – gemessen am für die Geldpolitik im Euroraum maßgeblichen harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI).

Vor allem vom Frühjahr an erwarten viele Volkswirte Entspannung – etwa das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung: «Dann dürfte nach der Heizperiode die akute Phase der Energiekrise für die Haushalte überwunden sein und auch die Verbraucherpreise sinken.»

Arbeitsmarkt: Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) bislang stabil. Die Einstellungsbereitschaft der Betriebe sei trotz einer leichten Abschwächung weiter hoch. Viele Branchen suchen händeringend Fachkräfte und versuchen bestehendes Personal auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten zu halten, zum Beispiel durch Kurzarbeit.

Das Münchner Ifo-Institut rechnet damit, dass die Kurzarbeit im Winterhalbjahr vorübergehend steigen und der Beschäftigungsaufbau zum Erliegen kommen wird. Die Arbeitslosenquote wird der Prognose zufolge leicht von 5,3 Prozent im Jahr 2022 auf 5,5 Prozent 2023 zulegen.

IAB-Barometer: Arbeitsmarkt kommt gut über den Winter

Laut einer Prognose des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird der Arbeitsmarkt in den kommenden Wintermonaten aber erst einmal stabil bleiben: Das Arbeitsmarktbarometer habe im Dezember erneut leicht zugelegt, teilten die Nürnberger Forscher heute mit. Es bildet die Erwartungen aller deutschen Arbeitsagenturen für die nächsten drei Monate ab.

Das Arbeitsmarktbarometer besteht aus zwei Komponenten: Hinsichtlich der Arbeitslosigkeit liegt die Prognose mit 98,1 Punkten zwar 0,3 Punkte über dem Wert von vor einem Monat, aber noch immer recht deutlich unter dem neutralen Wert von 100. Dies deutet auf eine leicht steigende Arbeitslosigkeit hin.

Die Beschäftigungskomponente stieg ebenfalls um 0,3 Punkte. Sie liegt mit 103,7 Punkten deutlich über dem neutralen Wert – was auf eine steigende Bereitschaft der Unternehmen hindeutet, Personal einzustellen. Insgesamt kletterte das Barometer um ebenfalls 0,3 Punkte auf 100,9 Punkte.

«Nachdem sich die Aussichten am Arbeitsmarkt seit dem Frühling beständig abgeschwächt hatten, geht es jetzt wieder vorsichtig nach oben», sagt Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen. Der Trend in Europa geht in eine andere Richtung. «In vielen europäischen Ländern drücken Krieg und Energiekrise die Arbeitsmarktaussichten in den roten Bereich», sagte Weber. Vor allem in den Ländern Nord- und Osteuropas zeige das Barometer Werte klar unter der Marke von 100.

Inflation und Zinsanstieg gehen «an die Substanz»

Insolvenzen: Eine Pleitewelle lässt sich anhand amtlich erfasster und von Experten hochgerechneter Zahlen in Deutschland bisher nicht ausmachen. Erstmals seit der Wirtschaftskrise 2009 ist die Zahl der Firmenpleiten aber gestiegen. Etwa 14.700 Unternehmen werden nach Schätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform bis Ende 2022 den Gang zum Insolvenzgericht angetreten haben. Das wären etwa vier Prozent mehr als 2021.

«Die anhaltende Inflation, die steigenden Zinsen und Energiekosten sowie eine zunehmend verschärfte Wettbewerbssituation gehen bei vielen Unternehmen an die Substanz», sagt Creditreform-Experte, Patrik-Ludwig Hantzsch. Wie viele andere Experten rechnet auch Creditreform mit einem weiteren Anstieg der Unternehmenspleiten im neuen Jahr.

Notenbanken: Die großen Notenbanken rund um den Globus stemmen sich mit Zinserhöhungen gegen die gestiegene Inflation. Die Europäische Zentralbank (EZB) hob in der zweiten Jahreshälfte 2022 vier Mal in Folge die Zinsen im Euroraum an. Der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB leihen können, liegt inzwischen bei 2,5 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit Dezember 2008. Weitere Erhöhungen zeichnen sich ab.

«Wir lassen nicht nach. Wir müssen eine längere Strecke gehen», sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde unlängst. Für Sparerinnen und Sparer sind steigende Zinsen eine gute Nachricht. In der Zinsflaute warfen Tagesgeld und Co. kaum noch etwas ab, teilweise mussten Bankkunden sogar Strafzinsen zahlen. Für Kreditnehmer wird es dagegen tendenziell teurer.

Von Friederike Marx und Jörn Bender, dpa